Werde meine Prinzessin
wollte sie nur noch ins Bett fallen und eine Woche lang schlafen. Sie hatte nicht geahnt, dass die Anprobe von Kleidern so ermüdend sein konnte. Sie konnte nicht mehr zählen, wie vie le Outfits sie bereits ausgewählt hatte.
Endlich hatte die Schneiderin das letzte Kleid abgesteckt.
Dora nutzte die Gelegenheit und schlüpfte aus der
Umkleidekabine, um nach Khalil zu sehen. Was mochte er die ganze Zeit getrieben haben?
Sie ging zum Eingangsbereich und sah ihn mit einer jungen Frau mit hüftlangen dunklen Haaren sprechen. Zuerst glaubte sie, dass es sich um eine Verkäuferin handelte. Doch dann erkannte sie, dass es sich keineswegs um ein sachliches Gespräch handelte. Sie konnte die Worte nic ht verstehen, aber die Körpersprache der beiden verriet heftigen Zorn.
Khalil legte der Frau die Hände auf die Schultern und schob sie entschieden von sich. Sie schüttelte heftig den Kopf und redete auf ihn ein. Dann plötzlich erstarrte sie und wirbelte herum.
Sie war atemberaubend schön. Nur der hasserfüllte Blick ihrer großen, ausdrucksvollen Augen beeinträchtigte ihre makellosen Züge.
Khalil nahm die Frau am Arm und führte sie aus der Boutique. Instinktiv wollte Dora ihm folgen und ihn zur Rede stellen, doch Babette trat zu ihr und verkündete: "Madam, Sie müssen noch die restlichen Schuhe anprobieren."
Dora gab sich wohl oder übel geschlagen. Doch sobald sie in der Limousine saßen und zum Hotel zurückfuhren, fragte sie:
"Khalil, wer war diese hübsche Frau, mit der du so eindringlich gesprochen hast?"
Die hübsche Frau, dachte er mit einem Anflug von
Belustigung. Amber hätte höchst beleidigt auf die unzulängliche Bezeichnung reagiert. Sie war nicht nur hübsch, sie war eine Göttin - und eine Schlange. "Sie ist unwichtig", entgegnete er lächelnd. "Eine Freundin der Familie. Ihr Vater arbeitet in der Regierung. Ich habe ihr von unserer Hochzeit erzählt."
"Sie schien nicht sehr glücklich darüber zu sein."
"Sie war nur überrascht", behauptete er leichthin. Denn seine Frau brauchte nicht zu erfahren, dass Amber ihr am liebsten die Augen ausgekratzt hätte und ihn mit derben Schimpfwörtern überhäuft hatte.
Seine Frau. Er musterte die stille Fremde, die er geheiratet hatte. Sie mochte nicht so reizvoll sein wie Amber, aber in jeder anderen Hinsicht war sie ihr überlegen. Hätte er irgendwelche Bedenken gehegt, wären sie durch die zufällige - oder vielleicht gar nicht so zufällige - Begegnung mit seiner Exverlobten restlos ausgeräumt worden.
Dora würde die Pflichten ihrer neuen Position sehr schnell erlernen und niemals einen Skandal verursachen. Sie war loyal und liebevoll, und wenn er Glück hatte, wurde sie mit der Zeit auch fügsamer.
Er nahm ihre Hand. "Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich dich geheiratet habe."
Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln. "Das freut mich."
Er drückte ihre Hand und ließ sie los. Ja, er konnte sich glücklich schätzen, dass er einen Ausweg aus dem Dilemma und zugleich einen angemessenen Ersatz gefunden hatte. Alles in allem war seine Geschäftsreise sehr erfolgreich verlaufen.
Dora starrte aus dem Fenster von Khalils Privatjet, aber das Gelände tief unten war ihr ebenso fremd wie die
Mondoberfläche. Im Gegensatz zu ihrem Schulatlas war es nicht in farbige Felder aufgeteilt, und sie wusste nicht, wo ein Land endete und das andere begann. Hatten sie bereits die Grenze von El Bahar überflogen?
Die Reise war viel zu lang, dachte sie und versuchte, einen Anfall von Panik zu unterdrücken. Ihr war zu viel Zeit zum Nachdenken geblieben - vor allem, da Khalil sich auf seinem bequemen Sitz ausgestreckt hatte und eingeschlafen war. Nun stand die Landung kurz bevor, und sie wollte ihm unbedingt sagen, dass sie es sich anders überlegt hatte.
Sie warf ihm einen Blick zu und sah ihn in einen Bericht über Müllverbrennung vertieft. Er hatte während des elfstündigen Fluges überwiegend geschlafen, war dann rechtzeitig zum Frühstück aufgewacht und hatte sich rasiert und ein frisches Hemd angezogen. Sie musterte ihr zerknittertes Kleid und bereute, dass sie nicht daran gedacht hatte, sich ebenfalls etwas zum Umziehen mit in die Kabine zu nehmen.
Was will ich eigentlich hier? schoss es ihr durch den Kopf. In Panik griff sie zu dem Funktelefon in ihrer Armlehne. Dann hielt sie inne. Wen sollte sie anrufen? Ihren Vater hatte sie seit zwanzig Jahren nicht gesehen, und ihre Mutter war seit fünf Jahren tot. Sie hatte keine anderen Verwandten und
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