Werde meine Prinzessin
keine engen Freunde, denen sie sich hätte anvertrauen können. Was hätte sie außerdem sagen sollen? Dass sie zwei Tage nach ihrer Hochzeit Bedenken hegte und es sie beängstigte, ihre Heimat zu verlassen?
Seufzend ließ sie die Hand sinken. Sie musste die nächsten Tage überstehen, ohne überstürzt zu handeln. Mit der Zeit fühlte sie sich bestimmt nicht mehr so verloren.
Erneut blickte sie zu Khalil und stellte fest, dass er immer noch dieselbe Seite las. War er ebenso verwirrt wie sie? Hegte er ebenfalls Bedenken? Sie wollte ihn fragen, doch sie fürchtete die Antwort. Was sollte sie tun, wenn er bejahte?
Hätte sie in ihrer Hochzeitsnacht nur weniger getrunken!
Hätten sie vor der Abreise doch nur noch eine Nacht in New York verbracht und Zeit gehabt, sich zu unterhalten und zu lieben! Dann hätte sie sich gewiss besser gefühlt. Doch stattdessen hatten sie sein Flugzeug bestiegen und wurden von zwei eifrigen Stewards betreut, die ihnen keinen Augenblick der Privatsphäre ließen.
Druck entstand in ihren Ohren, und sie schluckte instinktiv.
Der Sinkflug hatte begonnen. Sie blickte aus dem Fenster und sah, dass sie die weite Wüste hinter sich gelassen hatten. Unter ihnen lag eine große Stadt mit breiten Straßen und Hunderten von Gebäuden, darunter auch moderne Hochhäuser. Jenseits der Stadt sah sie glitzerndes Blau.
Der Arabische Golf, dachte sie verwundert. War sie wirklich um die halbe Welt gereist?
"Da ist der Palast", sagte Khalil und deutete aus dem Fenster.
"An der Küste. Man sieht auch die alte Stadtmauer."
Direkt am Meer erstreckte sich ein riesiges weißes Gebäude.
Dahinter bildete gepflegter Grund ein Flickwerk aus Farben. Die erwähnte Mauer umschloss einen Großteil der Stadt, allerdings nicht die Hochhäuser, die ihr zuvor aufgefallen waren.
Vorfreude verdrängte die Panik. Aus der Luft sah El Bahar exotisch, aber dennoch einladend aus.
Der Jet landete sanft und rollte zu einem kleinen Gebäude am entfernten Ende des Rollfelds. Als Dora ausstieg, fiel ihr ein wesentlich größerer Terminal auf.
"Der ist für den kommerziellen Flugverkehr", erklärte Khalil.
"Dort befinden sich auch Einwanderungsbehörde und Zoll. Auf der anderen Seite befindet sich ein großer Bereich für Speditionen. Sie haben sogar ihre eigenen Startbahnen. Wie du siehst, ist EL Bahar bereit für das neue Millennium."
"Sehr eindrucksvoll." Sie stieg die schmale Treppe hinab und atmete tief die Luft von El Bahar ein, die angenehm kühl war.
Der Duft einer fremdartigen Blume stieg ihr in die Nase, doch sie sah keine Pflanzen. Der Himmel war von einem
erstaunlichen Blau und wirkte ungewöhnlich hoch. Sie sagte sich, dass es derselbe Himmel war, den sie ihr Leben lang kannte, aber er wirkte dennoch anders.
Khalil führte sie zu einer weißen Limousine mit zwei kleinen Flaggen auf der Motorhaube. Das goldene königliche Emblem flatterte in der Brise. Ein uniformierter Chauffeur hielt die Hecktür auf, doch bevor sie einsteigen konnte, legte Khalil ihr eine Hand auf den Arm und hielt sie zurück.
"Dora, das ist Roger, unser bevorzugter Fahrer. Er ist schon bei meiner Familie, so lange ich denken kann."
Roger, ein hellhäutiger Mann in den Fünfzigern, berührte seine Mütze. "Danke, Prinz Khalil, aber ich muss mich gegen den Ausdruck so lange ich denken kann verwahren. Die junge Dame muss glauben, dass ich uralt bin", bemerkte der Engländer lächelnd.
"Uralt vielleicht nicht", räumte Khalil ein. "Wie wäre es mit so alt wie die Zeit?"
"Nun gut, Eure Hoheit. Wenn es sein muss." Roger zwinkerte Dora zu, und sie lächelte ihn an.
Flüchtig legte Khalil ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich bin froh, dass Sie uns abholen. Jetzt macht Dora sich nicht mehr so große Sorgen über ihren Aufenthalt in El Bahar."
Überrascht blickte sie ihn an. "Woher wusstest du, was ich gedacht habe?"
"Ich bin dein Ehemann. Wieso sollte ich es nicht wissen?"
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihrer Meinung nach kannte er sie kaum. Oder hatte sie ihn falsch eingeschätzt? War er wirklich schon seit ihrer ersten Begegnung an ihr interessiert? Die Vorstellung rief ein angenehmes Gefühl hervor.
"Ihre Frau?" hakte Roger verblüfft nach. "Sir, ich hatte ja keine Ahnung." Er nahm seine Mütze ab und verbeugte sich tief vor Dora.
Die Unterwürfigkeit verblüffte sie derart, dass sie hilflos zu Khalil blickte, der jedoch völlig ungerührt wirkte. Schließlich war er ja auch von Geburt an ein Prinz und an derartig
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