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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Doch wohl nicht die Schwester des lüderlichen Lelio?
    Leander
. Eben die. Ihr Vater soll der rechtschaffenste Mann von der Welt sein.
    Staleno
. Sein, oder gewesen sein. Es sind nun bereits neun Jahre, daß er von hier wegreisete; und schon seit vier Jahren hat man nicht die geringste Nachricht von ihm. Wer weiß, wo er modert, der gute Anselmus! Es ist für ihn auch eben so gut. Denn wenn er wieder kommen sollte, und sollte sehen, wie es mit seiner Familie stünde, so müßte er sich doch zu Tode grämen.
    Leander
. So haben Sie ihn wohl gekannt?
    Staleno
. Was sollte ich nicht? Er war mein Herzensfreund.
    Leander
. Und Sie wollen gegen seine Tochter so grausam sein? Sie wollen mich verhindern, sie wieder in Umstände zu setzen, die ihrer würdig sind?
    Staleno
. Leander, wenn Er mein Sohn wäre, so wollte ich nicht ein Wort dawider reden; aber so ist Er nur mein Mündel. Seine Neigung könnte sich in reifern Jahren ändern, und wenn Er alsdann das schöne Gesicht satt wäre, dem der beste Nachdruck fehlt, so würde alle Schuld auf mich fallen.
    Leander
. Wie? meine Neigung sollte sich ändern? ich sollte aufhören, Kamillen zu lieben? ich sollte – –
    Staleno
. Er soll warten, bis Er Sein eigner Herr wird; alsdann kann Er machen, was Er will. Ja, wenn das Mädchen noch in den Umständen wäre, in welchen sie ihr Vater verließ; wenn ihr Bruder nicht alles durchgebracht hätte; wenn der alte Philto, dem Anselmus die Aufsicht über seine Kinder anvertraute, nicht ein alter Betrieger gewesen wäre: gewiß, ich wollte selbst mein möglichstes tun, daß kein andrer, als Er, die Kamilla bekommen sollte. Aber: da das nicht ist, so habe ich nichts damit zu schaffen. Gehe Er nach Hause.
    Leander
. Aber, liebster Herr Staleno, –
    Staleno
. Er bringt Seine Schmeichelei zu unnützen Kosten. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt. Ich wollte eben zum alten Philto gehen, der sonst mein guter Freund ist, und ihm den Text wegen seines Betragens gegen den Lelio lesen. Nun hat er dem lüderlichen Burschen auch so gar das Haus abgekauft, das Letzte, was die Leutchen noch hatten. Das ist zu toll! das ist unverantwortlich! – – Geh Er, Leander; halte Er mich nicht länger auf. Allenfalls können wir zu Hause mehr davon sprechen.
    Leander
. In der Hoffnung, daß Sie gütiger werden gesinnt sein, will ich gehen. Sie kommen doch bald zurück?
    Staleno
. Bald.
    { ‡ }
Zweiter Auftritt
    Staleno
. Es bringt freilich nichts ein, den Leuten die Wahrheit zu sagen, und ihnen ihre schlechten Streiche vorzurücken; man macht sie sich meisten Teils dadurch zu Feinden. Aber mags! Ich will den Mann nicht zum Freunde behalten, der so wenig Gewissen hat. – – Hätte ich mirs in Ewigkeit vorgestellt! Der Philto, der Mann, auf den ich Schlösser gebaut hätte. – – Ha! da kömmt er mir eben in den Wurf. – –
    { ‡ }
Dritter Auftritt
    Philto. Staleno.
    Staleno
. Guten Tag, Herr Philto.
    Philto
. Ei sieh da! Herr Staleno! Wie gehts, mein alter, lieber, guter Freund? Wo wollten Sie hin?
    Staleno
. Ich war eben im Begriff, zu Ihnen zu gehen.
    Philto
. Zu mir? das ist ja vortrefflich. Kommen Sie, ich kehre gleich wieder mit um.
    Staleno
. Es ist nicht nötig, wenn ich Sie nur spreche; es ist mir gleich viel, ob es in Ihrem Hause, oder auf der Gasse geschieht. Ich will so lieber unter freiem Himmel mit Ihnen reden, um vor dem Anstecken sichrer zu sein.
    Philto
. Was wollen Sie mit Ihrem Anstecken? Bin ich seitdem von der Pest befallen worden, als ich Sie nicht gesehen habe?
    Staleno
. Von noch etwas Schlimmern, als von der Pest. – – O Philto, Philto! Sind Sie der ehrliche Philto, den die Stadt bisher noch immer unter die wenigen Männer von altem Schrot und Korne gezählt hat?
    Philto
. Das ist ja ein vortrefflicher Anfang zu einer Strafpredigt. Wie käme ich zu der?
    Staleno
. Was für Zeug wird von Ihnen in der Stadt gesprochen! Ein alter Betrieger, ein Leuteschinder, ein Blutigel, – das sind noch Ihre besten Ehrentitel.
    Philto
. Meine?
    Staleno
. Ja, Ihre.
    Philto
. Das ist mir leid. Aber was ist zu tun? man muß die Leute reden lassen. Ich kann es niemanden verwehren, das Nachteiligste von mir zu denken, oder zu sprechen; genug, wenn ich bei mir überzeugt bin, daß man mir Unrecht tut.
    Staleno
. So kaltsinnig sind Sie dabei? So kaltsinnig war ich nicht einmal, als ich es hörte. Aber mit dieser Gelassenheit sind Sie noch nicht gerechtfertiget. Man ist oft gelassen, weil man bei sich kein Recht zu haben fühlt, hastig und

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