Wetterleuchten
»Es ist an der Zeit, das Ganze hinter uns zu bringen.«
Er ging zu seinem Lieferwagen und Becca lief ihm hinterher. Doch bevor sie ging, fragte sie Jenn noch: »Alles in Ordnung?«
Jenn nickte. Sie hatte den Blick auf Annie gerichtet. »Im Gegensatz zu ihr.«
Becca folgte ihrem Blick. Sie schnappte ein ruiniert ... auf, aber sie war nicht sicher, ob das von Annie kam oder von Chad, der auf sie zuging. Annie kniete neben ihrer nutzlosen Ausrüstung und stierte vor sich hin. Chad legte seine Hand auf ihre Schulter und sagte ihren Namen. Sie schüttelte ihn ab.
»Zu spät«, sagte sie.
»Ja«, stimmte er zu.
Für sie beide, dachte Becca. Aber nicht für Sharla und Ivar. Vielleicht würde die ganze Sache auch etwas Gutes haben.
Kapitel 45
A ls Jenn zwei Tage später die Testspiele für die All-Island-Mädchenfußballmannschaft in den Sand setzte, wusste sie, dass sie sich das nur selbst zuzuschreiben hatte. Der Trainer tröstete sie: »Probier’s nächstes Jahr noch mal. Wenn du noch ein bisschen mehr mit deiner Schulmannschaft und deinem Freizeitteam vor Ort trainierst, hast du eine gute Chance. Du bist schnell genug, aber an deiner Passgenauigkeit musst du noch arbeiten. Nimm dir das vor, und nächstes Jahr seh ich dich wieder, okay? Hey, guck nicht so grimmig. Wie alt bist du? Fünfzehn? Noch ist nicht alles verloren.«
Aber genauso kam es Jenn vor. Als wäre alles verloren. Aus und vorbei. Für immer. Sie setzte sich auf die Verandatreppe des Hauses ihrer Eltern und überlegte sich, wie sie ihnen beibringen konnte, dass sie sich selbst alle Zukunftsaussichten verbaut hatte. Sie starrte auf den Wohnwagen auf der anderen Seite des Grundstücks und wünschte, sie könnte ihn allein mit der Kraft ihres Willens in die Luft jagen und Annie dazu.
Da kam Annie heraus. Am Tag zuvor hatte sie angefangen, ihre Habseligkeiten zu packen, um nach Florida zurückzufahren. Sie hatte ihre Sachen sortiert, Sachen weggeworfen und andere Sachen in den silbernen Honda geschleppt. Es sah aus, als ob sie fast fertig wäre, und Jenn bekam sogleich die Bestätigung. Annie ging auf sie zu und sagte: »So. Heute hau ich hier ab.«
Jenn sah sie an. Sie war die gleiche Annie wie zuvor: schick und durchgestylt, von den igeligen roten Haaren, über ihre abgeschnittene gelbe Hose, bis zu ihren dunkelorange lackierten Zehennägeln. Aber sie war nicht die Annie, die Jenn bewundert hatte. Seitdem war viel Wasser den Bach heruntergeflossen und hatte diese Annie Taylor mit sich genommen.
»Du siehst so aus, wie ich mich fühle«, sagte Annie. »Manchmal soll es eben nicht sein.«
»Ja. Geschenkt«, antwortet Jenn. »Wo fährst du hin?«
»Nach Hause. Zu Beth.«
»Und was ist mit Chad?«
Annie schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: »Hast du es immer noch nicht kapiert, Mädchen?« Dabei machte sie ein Gesicht, dass Jenn ihr am liebsten eine verpasst hätte, doch sie hielt sich zurück und wartete auf Annies Antwort. Die lautete: »Jenn ... Es war nur Spaß.«
»Ich dachte, du wärst ...Du weißt schon.«
»Lesbisch? Bin ich auch. Mehr oder weniger. Meistens.« Annie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Aber es blieb genauso, wie es vorher war: igelig und durchgestylt. »Und sonst? Es ist nicht so wichtig, weißt du? Er ist doch noch so jung.« Sie machte eine Bewegung mit dem Kopf. »Du kannst ihn haben. Wenn du willst. Er ist ziemlich unkompliziert. Falls du ihn willst. Willst du? Denn ich hatte vom ersten Tag an so ein Gefühl bei dir.«
Jenn stand abrupt auf. »Tschüss dann«, sagte sie und ging zur Tür. »Ich richte meinen Eltern Grüße aus.«
»Gut. Aber, Jenn ...«
Jenn drehte sich noch einmal um. Annie blinzelte gegen die Sonne an. Wenn sie blinzelte, sah sie ganz anders aus. Irgendwie durchtrieben und gewieft, irgendwie zwielichtig.
Sie fuhr fort: »Falls du mich mal anrufen willst ... weil du über Sachen sprechen willst, für die du jetzt noch nicht bereit bist...«
»Klar«, erwiderte Jenn. Nur über meine Leiche, dachte sie. Sie ging ins Haus und kam erst wieder heraus, nachdem Annie Taylor weggefahren war.
Ihre Eltern nahmen die Nachricht von ihrer Fußballpleite ganz gelassen auf. Ihre Mom sagte, es sei der Wille Gottes, und ihr Dad vertröstete sie auf das nächste Jahr. Doch eigentlich war Jenn sicher, dass ihre Eltern bloß erleichtert waren, dass sie jetzt nicht das Geld für ihre Fußballausstattung und die zusätzlichen Trainerstunden auftreiben mussten, die mit einer Mitgliedschaft in der
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