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Wettflug mit dem Tod (Orion 10)

Wettflug mit dem Tod (Orion 10)

Titel: Wettflug mit dem Tod (Orion 10) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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lauerten. In zwei Minuten hatten sie die Stelle erreicht, an der der Raubvogel abgestürzt war.
    Vor einem blasigen Strudel am Rand einer Schilfinsel hielt Titus den Gleiter nach einer scharfen Kurve an.
    »Da, sehen Sie!« sagte er halblaut.
    Cliff schob die Brille in die Stirn und blickte genauer hin.
    »Fische?« fragte er.
    »Ja. Raubfische.«
    Zwischen einigen Schilfbüscheln und einem weißen, abgestorbenen Holzstück von phantastischem Aussehen rissen, zerrten und fraßen lange und schlanke Fische an den Resten des Raubvogels. Sie glichen in ihrer Wut terranischen Piranhas, aber sie waren goldfarben mit großen blauen Flecken um die Augen. Mit messerscharfen Zähnen rissen sie den Vogel. Das Wasser war ringsum blutig, und die Tiere schienen in einer Art Raserei zu handeln.
    Titus verlor seine Überlegenheit und wurde ernst.
    »Erste Regel auf Tareyton: Niemals ohne Schutz ins Wasser! Nur diese halben Wattstiefel widerstehen den Zähnen der Raubfische. Wir nennen sie ›Zahnfische‹, und binnen Sekunden haben sie eine Hand oder einen Arm zerfetzt. Wir hatten in den ersten Wochen der Besiedlung einige schwere Fälle für die Chirurgen.
    Passen Sie auf, Cliff!
    Bleiben Sie stets im Gleiter. Und diese schwarzen Vögel – genauso wild und angriffslustig.«
    Cliff nickte schweigend und faßte die Gasdruckpistole an, die in der großen Gürteltasche steckte.
    Titus deutete wieder auf den Schaumwirbel, der kleiner geworden war.
    »Und wenn Sie ins Wasser schießen müssen, berücksichtigen Sie die Lichtbrechung!«
    »Ja, richtig.«
    Die beiden Männer sahen sich an. Sie mißtrauten einander, aber beide versuchten sie, dieses Gefühl zu bagatellisieren. Sie wußten inzwischen, daß sich hinter dem Erscheinungsbild etwas anderes versteckte, und die drei Tage würden ein ermüdendes Spiel sein, zu versuchen, hinter diese Maske zu sehen. Cliff dachte an potentielle Attentäter, und Titus vermutlich an Geheimagenten der Erde. Vielleicht, dachten beide gleichzeitig, stimmte etwas davon. Die nächste Zeit würde es zeigen.
    »Was wollen Sie alles sehen, Cliff?« fragte Titus nach einer Weile.
    Cliff zuckte die Achseln.
    »Alles, was es hier gibt. Mich würde, abgesehen von der Jagd, Ihre Arbeit sehr interessieren. Dieser Anbau und die seltsame Art der Ernte faszinieren mich irgendwie.«
    Titus spuckte den Rest seiner nassen Zigarre ins Wasser und sah mit mäßigem Interesse zu, wie sich ein Zahnfisch das Kraut schnappte und damit im Zickzack davonraste, von zwei kleineren Exemplaren seiner Rasse wütend verfolgt. Dann wendete er den Gleiter, sah kurz nach dem Sonnenstand und sagte schleppend:
    »Einverstanden. Ich bringe Sie ans Ostufer der Lagune Siebenhundertzehn.«
    Cliff runzelte die Stirn und fragte schnell:
    »Was bedeutet diese Bezeichnung?«
    Der Gleiter fegte mit aufschäumender Bugwelle durch das flache Wasser und rutschte durch ein Stück stinkenden Sumpfes, verschwand wieder in einem der flachen Wasserarme.
    »Hier auf Tareyton gibt es knapp eintausend dieser Meere. Wenn man will, kann man auch den ganzen Planeten als Ozean bezeichnen, mit dünnen Landresten zwischen den einzelnen Geländegrenzen. Wir haben keine Namen mehr gefunden, also begannen wir, die einzelnen Meere zu numerieren. Eines der größten Meere, die merkwürdigerweise fast alle kreisförmig sind – oder fast kreisförmig –, heißt ›Lagune Siebenhundertzehn‹.«
    »Das ist logisch«, erwiderte Cliff.
    Sie fuhren eineinhalb Stunden lang mit schärfster Geschwindigkeit durch die Landschaft. Die Hitze und der Geruch nach Salzwasser nahmen zu. Cliff begann zu schwitzen und öffnete den Saum des dünnen Hemdes. Der Kolonist lenkte den Gleiter mit einer nachtwandlerischen Sicherheit. Er fegte im Zickzack um steinige Inseln herum, wich treibenden Holzstämmen aus. Ein tiefes Brummen, das irgendwo vor ihnen entstand, nahm zu.
    »Was ist dieses Brummen?« fragte Cliff laut.
    Titus deutete geradeaus.
    »Das ist die riesige Erntemaschine. Wir müssen achtgeben, daß wir nicht einem der Robottransporter in den Weg laufen. Er ist nicht auf diese Art von Hindernissen programmiert worden.«
    Cliff brüllte zurück:
    »Das ist Ihr Geschäft, Titus!«
    Titus lachte und zündete sich während der Fahrt eine seiner stinkenden Zigarren an.
    »Wollen Sie nicht einmal steuern?«
    »Vielleicht später«, schrie Cliff und hielt sich fest, denn die flache Kunststoffschale rutschte einen relativ steilen Uferhang wieder hinunter. Der Schwung hatte sie

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