Whisper (German Edition)
kurzer Zeit würde sie wieder im Flugzeug sitzen und nach München fliegen. Dann musste sie Tom zurücklassen und vergessen. Es war nicht fair, ihm ihre Liebe zu schenken, wo sie doch nur von so kurzer Dauer sein konnte.
Mit einem bedrückenden Gefühl verließ sie das Haus, schlenderte über den Hof und musste ganz kurz an Taps denken. Die Veranda war sein Stammplatz gewesen. Von dort hatte er alles beobachtet. Jetzt gab es ihn nicht mehr. Es ging alles viel zu schnell vorbei. Nie hätte sie geglaubt, dass man Taps so schnell würde verabschieden müssen. Nie hatte sie sich genauer mit dem Hund befasst. Zu spät. Taps war tot.
Aufseufzend betrat Jasmin den Stall und entdeckte Tom nach wie vor in seiner Ecke stehend. Er hatte sein Futter nicht angerührt.
Das Mädchen betrat leise die Box. Tom bewegte nur ganz leicht seinen Kopf und schraubte die Ohren nach hinten. Mehr zeigte er nicht. Jasmin kam zu ihm heran und strich vorsichtig über seinen Körper. Leicht berührte sie Muskeln, Gelenke, befühlte Knochen und griff in die Mähne. Sie spürte, wie das Pferd unter ihren Händen zuckte und sich leicht verspannte, so als ob er „geh weg und lass mich in ruh“ sagen wollte.
Jasmin verstand sein Zeichen und nahm zögernd ihre Hände von ihm. Lediglich eine Mähnensträhne blieb in ihren Händen, die sie sanft zwirbelte.
„Du kennst Whisper!“, sprach sie das Pferd leise an, wobei sie gerade noch sein linkes Auge sehen konnte. „Ich weiß das!“ War es nun bescheuert mit einem Pferd zu reden, das sie eigentlich nicht verstehen konnte? „Whisper und ich“, sie zögerte kurz, blickte an die Decke, betrachtete die Spinnweben, „waren so etwas, was man unter einem Dreamteam versteht. Sie war in der Zeit, in der ich sie kannte, alles was ich hatte. Und ich finde es absolut Scheiße, dass man sie mir einfach weggenommen hat. Ich bin noch nicht mal gefragt worden.“ Sie begann die Mähnensträhne wieder zu entwirren. „Es wird nicht mehr lange dauern und ich werde wieder nach München fliegen, Tom. Dann sind wir wieder getrennt, sehen uns vielleicht nie wieder. Ich würde gerne wieder herkommen, aber mir fehlen die Mittel dazu, und meine Pflegeeltern würden es nie zulassen. Für sie bin ich ein neurotischer Fall und egal was ich mache, sie finden einen Therapeuten, der das analysieren kann. Das wird auch in Zukunft nicht aufhören. Vielleicht habe ich irgendwann das Geld, hierher zurückzukommen. Aber bis dahin hast du mich längst vergessen. Es werden viele andere auf deinem Rücken reiten und von dir lernen. Tom …“ Sie atmete heftig durch, wobei ihr Atem leicht zitterte. Jasmin versuchte abermals einen Blick von dem Pferd zu erhaschen, was ihr aber nicht gelang, da er seinen Kopf komplett in die Ecke gedreht hatte. „… es tut mir schon genug weh, das alles hier zurücklassen zu müssen. Ich bin sehr glücklich hier. Ich mag Susanna und Kinsky, den großen unübertrefflichen Rancher.“ Es entlockte ihr ein Lachen und doch wurden ihre Augen feucht. „Ich mag auch Janina und den süßen, kleinen Bobby. Stefan, der von Anfang an auf meiner Seite war und dann Jaro, Kinos Großvater und Kino selbst!“ Sie verstummte, als sie an den jungen Indianer dachte, und erinnerte sich zurück an das, was in der Hütte vorgefallen war, und was er zu ihr gesagt hatte. Ich hab dich lieb. Deutlich konnte sie sein Gesicht vor Augen sehen. Er hatte es nicht daher gesagt, sondern es auch so gemeint und es hatte sie getroffen und tief bewegt. Jasmin biss sich auf die Lippen, kaute an ihnen und fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Scheiß Heulerei. Es war echt zum Kotzen. Alles was sie in irgendeiner Form berührte, es schlug sich auf die Drüsen und sorgte für Wasser in den Augen. Zum Kuckuck, wieso war sie nicht so abgebrüht wie die anderen, die es schafften, sich umzudrehen und so zu tun, als hätten sie weder etwas gehört, gesehen oder gespürt. Wieso bekam sie diese Gefühlswelten einfach nicht in den Griff?
„Ich muss schon soviel zurücklassen.“ Ihre Stimme vibrierte. Die Worte wollten sich nicht wirklich formen lassen und selbst das konnte sie nicht kontrollieren. „Ich will nicht auch noch um dich heulen, Tom. München wird für mich die reinste Hölle werden. Ein Inferno, welches ich mir nicht vorstellen mag. Was ich dann habe, sind Erinnerungen, Momente, vielleicht sogar Träume, in denen ich hier und auch bei dir sein kann. Vielleicht bleibt Whisper noch bei mir. Vielleicht höre ich sie
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