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Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Titel: Whisper Island (01) - Sturmwarnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ging einfach nicht. Also erwiderte sie: »Ich kann nicht. Aber ich habe nichts Schlimmes gemacht. Es ist nur … Ich kann einfach nicht.«
    Sie standen am Stoppschild an der Kreuzung zur Langley Road und Diana fuhr nicht weiter, sondern sagte stattdessen: »Weißt du eigentlich, dass Seth Darrow deinetwegen in Schwierigkeiten ist?«
    »Seth? Aber warum?«
    Diana erklärte ihr, dass Tatiana Primavera gesehen hatte, wie Seth Darrow vom Motel weggefahren war, kurz bevor Debbie Grieder entdeckte, dass Beccas Sachen nicht mehr in ihrem Zimmer waren. Debbie schloss daraus, dass Seth Beccas Sachen mitgenommen hatte und dass er entweder wusste, wo Becca war, oder dass er ihr etwas angetan hatte. »Und Debbie ist sich ziemlich sicher, was davon zutrifft«, ergänzte Diana. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie zum Sheriff geht und ihm davon erzählt.«
    Becca ließ den Kopf gegen die Kopfstütze fallen. Jetzt hatte sie Seth tatsächlich noch mehr Ärger bereitet! Sie musste ihn warnen. Aber alles, was ihn betraf, war so mysteriös, dass sie bei ihm auch nicht wusste, woran sie war. Zum Beispiel, dass er nicht aufhörte, über Hayley und die Cartwrights nachzugrübeln. Oder der Fußabdruck, den sie im Wald gefunden hatte. Und dann hatte er auch noch zugegeben, dass er Derric nicht leiden konnte. Becca war ganz schwindlig, denn sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
    Auf der restlichen Fahrt nach Coupeville hörten sie die Dixie Chicks. Als sie am Krankenhaus ankamen, fuhr Diana auf den Parkplatz. Sie sagte, sie hätte einen Arzttermin auf der anderen Straßenseite, aber das würde nicht lange dauern. Danach würde sie in Derrics Zimmer kommen, denn sie wollte ihn auch besuchen.
    »Arzttermin?«, fragte Becca rasch. »Sind Sie krank?«
    Diana lächelte. »Wenn man erst mal so alt ist wie ich, wird die Gedichtzeile wahr: ›Die Welt zerfällt, die Mitte hält nicht mehr‹. Und dieses Stadium habe ich inzwischen auch erreicht.« Sie drückte die Tür auf und befahl Oscar und den anderen Hunden, im Wagen zu bleiben. »Bis gleich«, sagte sie zu Becca.
    Es war mitten am Schultag und in Derrics Zimmer war niemand. Anstatt dass ihm jemand vorlas, spielte Musik. Die fröhlichen Marimbaklänge gingen von einem iPod aus, den jemand auf den Tisch neben seinem Bett gestellt hatte. Neben dem iPod stand das Bild, das Becca hatte fallen lassen, in einem neuen Rahmen. Er war aus Chrom, aber er hatte einen klebrigen Fleck, wo das Preisschild nicht sauber entfernt worden war. Becca setzte sich neben dem Bett auf einen Stuhl, nahm den Bilderrahmen und versuchte, den Kleber mit dem Daumennagel abzureiben. Gleichzeitig griff sie nach Derricks Hand und fing an, ihm zu erzählen, was sie gerade machte. Dass sie ihm diesmal nichts zum Vorlesen mitgebracht hatte, aber dass sie ihm erzählen würde, was um ihn herum passierte, wenn er einverstanden wäre.
    Innerhalb von einer Sekunde schlug die Musik um. Plötzlich war die Marimbamusik einer Jazzmelodie gewichen, die von Saxofonen, Trompeten, einer Tuba und einem Schlagzeug gespielt wurde. Daneben hörte sie wieder das Kindergelächter und eine Stimme, die Derric rief. Derrrrr…ick! Über dem Rufen erhob sich das Wort Freude , und die Jazzmusik wurde lauter. Doch sie kam nicht aus dem iPod.
    Da bewegten sich Derrics Finger in Beccas Hand. Sie schlossen sich um ihre Finger und hielten sie fest. Becca hielt die Luft an und sah zu ihm hinüber. Seine Augen waren auf und er sah sie an.
    Sie dachte: Oh Gott! , und sah sich hektisch um, denn sie wusste, dass sie jemandem Bescheid sagen musste. Aber sie hatte Angst, seine Hand loszulassen, denn sie wusste, dass sie dadurch die Verbindung unterbrechen würde, die zwischen ihnen entstanden war.
    Becca war nicht sicher, ob er sie sehen konnte, aber sie sah, dass sich Tränen in Derrics dunklen Augen bildeten. Sie liefen seine Schläfen hinab und machten das Kissen nass. Von seiner Hand zu ihrer floss ein unglaublich tiefer Schmerz. Er schien nach Atem zu ringen.
    »Derric, kannst du mich sehen?«, fragte sie ihn. »Derric?«
    Weil sie seine Hand in beide Hände nehmen wollte, stellte sie das gerahmte Bild wieder auf den Tisch.
    Doch da war auf einmal alles weg: die Musik, die lachenden Kinder, der Ruf Derrrr…ick! , Freude und vor allen Dingen Derric selbst. Seine Hand erschlaffte, seine Augen schlossen sich und er atmete wieder ruhig und gleichmäßig. Die schwache Spur der Tränen auf seiner Schläfe und die feuchten Flecken auf seinem Kissen waren

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