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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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in Panik. Wir sind zu weit vorgeprescht, als
dass wir nun zu Zeitungen und Schulzeugnissen auf Papier zurückkehren können.
Das Internet gibt es nicht mehr. Handys lassen sich bestenfalls als Nachtlampen
und bunte Briefbeschwerer verwenden. Wir sind Geiseln all der Luxusgüter, die
wir in den letzten zwei Jahrzehnten angehäuft haben. Wir treiben dahin …
    Her mit der neuen Technologie, fordert
China, und man fühlt sich zurückversetzt auf ein altes Segelschiff mit Kanonen,
Papageien und Piraten, die ein Holzbein hinter sich herziehen.
    Die Vereinigten Staaten lassen sich auf nichts ein; Lady Liberty ist
es nicht gewohnt, dass man ihr Forderungen stellt. Stattdessen kaufen wir
Verbündete. Unsere Technologie für ihren Beistand.
    Dann macht ein heller Kopf den großartigen Vorschlag, dass man einen
Hurrikan nicht nur abschwächen, sondern auch verstärken könnte. Es ist unklar,
ob so etwas möglich ist. Das müssen klügere Leute entscheiden. Aber an diesem
Punkt kocht die Sache richtig hoch. Die Atombombe mit ihrem gewaltigen
Zerstörungspotenzial wird von der neuen Wetterwaffe verdrängt, die jeder haben
will. Die Natur als Kriegsmaschine, endlich dem Willen des Menschen
unterworfen.
    Jeder diensttaugliche Mann zieht in den Krieg. Flucht kommt nicht
infrage, denn jenseits der Grenzen rüsten sie ebenfalls auf. Und wer über die
falsche Grenze geht, verlässt diese Welt mit einem metallischen Geschmack im
Mund.
    Die Hochschulen, bis dahin meist ein sicherer Hort für alle
Kampfunwilligen, werden geschlossen.
    Wer hätte wissen können, dass der Krieg, in dem alle Kriege enden,
nichts mit Gott zu tun hat?
    ZEIT: JETZT
    Die Elpis schlingert über das
Meer, und mein Magen schlingert mit. Eigentlich dürfte die Überfahrt nur ein
paar Stunden dauern, aber der Kapitän erklärt mir, dass er Treibstoff sparen
müsse, weil die Reserven zur Neige gingen. Deshalb das quälend langsame Tempo,
deshalb werde die Fähre eben so lange brauchen, wie sie braucht. Er stoppelt
die Worte mühsam zusammen und füllt die Lücken mit ausladenden Gesten.
    Wir sind ein Dutzend Leute, ohne die Crew. Alle niedergedrückt,
zermalmt von den gleichgültigen Stiefeltritten des Lebens. Noch vor Kurzem war
diese Route der Weg ins Glück für Flitterwöchner und Urlauber, für Leute, die
zumindest mit einem strahlenden Lächeln an Bord gingen. Nicht wir. Wir heben
nur kurz die Köpfe und mustern einander mit grimmigem Argwohn.
    Ich entdecke zwei weitere Frauen, beide in mittleren Jahren,
vielleicht Schwestern, vielleicht Freundinnen. Sie hängen wie Kletten
aneinander, als sei die eine jeweils die Schwimmweste der anderen. Die Männer
lümmeln in ihren sorgsam abgesteckten Territorien herum. Niemand wagt es, die
Mitreisenden lange aus den Augen zu lassen. Wir sind immer noch Tiere mit
animalischen Instinkten. Wer trägt die Seuche in sich? Wer geht als Mensch
durch, obwohl er keiner mehr ist? Wir beobachten. Wir
sind skeptisch. Wir gehen kein Risiko ein.
    Mein Blick bleibt an dem Mann hängen, der zusammengekrümmt in einer
dunklen Ecke kauert. Ich schätze ihn auf ungefähr sechzig; aber Stress kann
einen Menschen vor der Zeit altern lassen, und wir hatten alle mehr als genug
traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Seine Schultern sind vornübergebeugt,
als müsste er auf jeder die Lasten von tausend Menschen tragen. Nicht nur sein
Haar ist darüber grau geworden, auch seine Seele. Schiere Verzweiflung sickert
durch seine Poren. Er wirkt völlig losgelöst von seinem Umfeld, und so stelle ich
ihn in diverse Szenen aus meinem früheren Leben, um herauszufinden, wo er am
besten hinpasst.
    Lisa schmiegt den Kopf an meine Schulter. Ich lege beide Arme um sie
und verschränke die Finger. Der Schweizer lehnt an der Steuerbord-Reling und
starrt ins Wasser.
    Der Mann in der Ecke nimmt mich immer noch gefangen. In Gedanken
ziehe ich ihm andere Sachen an, wie diesen Papier-Ausschneidepuppen, die ich
als Kind so liebte. Frisiere ihn. Lasse nur ein paar Millimeter Bart stehen.
Als der Groschen endlich fällt, stoße ich einen leisen Schrei aus. Eine Zeit
lang sitze ich einfach da und beobachte ihn unauffällig. Warum ist er hier?
Dumme Frage. Wohl aus dem gleichen Grund wie wir alle. Dennoch – warum ist er hier? Als ich meine Neugier nicht länger zügeln kann,
erhebe ich mich, gehe unruhig auf und ab und lasse mich

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