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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Mäuse sind alle verschwunden. Ihre Käfigtüren hängen schief in
verbogenen Angeln.
    Â»Sind die eingegangen?«, frage ich Shultz. Er sitzt über ein
Mikroskop gebeugt da und begutachtet einige Objektträger.
    Er schnieft und wischt sich die laufende Nase mit dem Handrücken ab.
»Ich hatte Hunger.«
    Ich starre ihn an, warte auf ein Grinsen, eine Pointe. Es muss doch
eine Pointe kommen, oder?
    Â»Du hast die Mäuse gegessen?«
    Â»Ich hatte kein Kleingeld für den Automaten.«
    Tagtäglich arbeiten wir in den gleichen Räumen, aber ich werde
einfach nicht schlau aus ihm.
    Â»Hast du mal Demolition Man gesehen?«
    Â»Den eiskalten Bullen? Klar.«
    Er nickt langsam. »So schlecht sind die gar nicht. Besser jedenfalls
als das Zeug, das du in der Cafeteria kriegst.«
    In der Cafeteria kriegt man überhaupt nichts mehr. Wir bringen alle
unser Essen selbst mit. Ich habe keine Worte. Nein, das stimmt nicht. Ich habe
zwei Worte: Ich kündige.
    Ich will gehen, aber er winkt mich an sein Mikroskop. »Guck dir das
mal an!« Er beugt den Oberkörper zur Seite, damit ich mich neben ihn stellen
und einen Blick durch das Okular werfen kann. Kleckse und Kringel schwimmen auf
einem grünen Meer. Schön anzusehen. Fremd. Beängstigend in ihrer
Andersartigkeit.
    Â»Was ist das?«
    Â» OWN . Neoplasma.«
    Â»Du meinst Krebs?«
    Â»Mhm. Aber kein gewöhnlicher Krebs. Der hier macht, was er will,
breitet sich aus, wo er will. Du weißt nie, was dieses OWN mit dir macht.« Er schnieft. » OWN . Ich dachte, das
sei irgendeine hintersinnige Abkürzung, aber es heißt einfach nur Besitzen . Dass ich da nicht früher draufgekommen bin.« Er
schnippt mit den Fingern. »Eine winzige Dosis von dem Zeug da, und es ergreift
Besitz von deinem Körper.«
    Â»Hast du das etwa den Mäusen gespritzt?«
    Â»Siehst du hier irgendwo Leute anstehen, die sich freiwillig für
unsere Tests zur Verfügung stellen?«
    Ich erinnere mich an Dr. Scott und seine Grippespritze, und ich
frage mich, ob er mir in Wahrheit eine OWN -Injektion
verabreichte.
    An diesem Nachmittag reiche ich meine Kündigung ein. Als ich
heimkomme, rufe ich Jesse an und gebe ihm seine Story, denn jetzt wiegen alle
Dinge schwerer als eine Schweigepflicht-Klausel.

    Â»Aber es ist eiskalt draußen«, beklagt sich Jenny eine Woche
später. Sie fällt zunehmend ins Kindesalter zurück und benimmt sich wie ein
bockiger Teenager. Ich bin für sie nun Mutter und Schwester zugleich.
    Â»Schön, dann machst du das Frühstück.«
    Sie zögert und wägt die Lage ab. Sie weiß, dass sie mich gebeten
hat, Pfannkuchen nach Moms Rezept zu machen, und deshalb bereits in meiner
Schuld steht. Mit einem Seufzer aus tiefster Seele schnappt sie sich die
bereitgelegten Münzen, schlüpft in ihren Mantel, wickelt sich ein Tuch um den
Hals und knallt die Tür so heftig hinter sich zu, dass der Rahmen zittert.
    Dabei ist es eine Kleinigkeit, um die ich sie gebeten habe. Nur die
Zeitung. Sie soll die Zeitung heraufholen, in der Jesses Artikel stehen müsste.
Der Artikel, mit dem er seinem unzufriedenen Vater beweisen möchte, dass er
anders-gut ist. Ich muss wissen, was er geschrieben hat. Jeden Tag bin ich zu
diesem Automaten runtergegangen, habe meine Münzen eingeworfen und die Seiten
der United States Times überflogen. Vergeblich. Das
Blatt wird immer dünner. Mit der Bevölkerung schwinden die Storys.
    Ein Pfannkuchen nach dem anderen nimmt dieses perfekte Goldbraun an.
Bald habe ich zwei schöne Stapel aufgeschichtet. Frisch und warm schmecken
Pfannkuchen am besten. Jenny ist noch nicht zurück. Ihrem beleidigten Abgang
nach zu schließen, hätte sie längst wieder da sein müssen, bibbernd vor Kälte
und Empörung. Mich überkommt ein Frösteln, das nichts mit dem Wetter zu tun
hat.
    Porkchop, der Tagportier, steht in der Eingangshalle und späht durch
die Glastür. Unter seiner Nase hat sich ein mundgroßer feuchter Fleck gebildet.
Er hört mich sicher kommen, aber er dreht sich nicht um, sondern starrt
weiterhin ins Freie.
    Als ich ihn nach Jenny frage, zuckt er die Achseln.
    Â»Hab sie rausstampfen sehen, aber sie is’ nich’ wiedergekommen. Trug
die Nase ganz hoch, als sie an mir vorbeilief.« Er macht ein verlegenes
Gesicht. »Tut mir leid, Ma’am, ich weiß, sie is’ Ihre Schwester.«
    Â»Was

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