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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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sie …«
    Â»â€¦Â wieder ins Leben zurückkehren?« Ich reibe mir die Stirn und frage
mich, warum kein Loch darin klafft wie bei meiner Schwester. »Wisst ihr
inzwischen, wer Jenny umgebracht hat?«
    Â»Nein. Tut mir leid.« Sie zuckt die Achseln. »Eine dürftige
Auskunft, ich weiß, aber wir sind keine Polizeitruppe, sondern bestenfalls eine
Bürgerwehr. Da bei Ihnen nichts weiter vorliegt, können Sie heimgehen.«
    Â»Wozu dann die versperrten Türen?«
    Â»Sie haben nach meinen Leuten getreten und geschlagen. Was glauben
Sie, wie das aussah?«
    Ich schließe die Augen. »Wundert Sie das? Irgendein Arschloch hatte
soeben meine Schwester erschossen, und sie versuchten mich von ihr
wegzuzerren.«
    Â»Schlimm sah das aus«, fährt sie fort. »Echt schlimm. Sie hätten
krank sein können, gewalttätig oder geistesgestört. Ich muss für die Sicherheit
meiner Leute sorgen.«
    Â»Ich hatte nur noch sie. Unsere Eltern …«
    Shultz sitzt über ein Mikroskop gebeugt da. »Ich
habe die Mäuse gegessen.«
    Â»Versuchen Sie das Ganze mal von unserer Seite zu betrachten. Wir
haben es täglich mit den schlimmsten Auswüchsen zu tun. Manchmal rettet uns
eine vorsichtige Einschätzung der Lage das Leben. Wenn wir zu gut von den
Menschen denken, verlieren wir noch mehr Mitarbeiter, und das können wir nicht
zulassen.«
    Â»Wo ist meine Schwester?«
    Â»Eingeäschert. Wir haben so viele Tote, dass wir nicht mehr wissen,
wo wir sie bestatten sollen.« Einen Moment lang flackert Angst über ihre Züge.
»Wir sterben in Scharen. Nicht nur wir. Alle.«

    Nicht nur wir. Alle.
    Ich nehme mir ein Taxi. Der Fahrer trägt eine dieser dünnen
Schutzmasken. Er nimmt meinen Schein mit behandschuhten Fingern entgegen und
beäugt ihn misstrauisch. Ich rechne fast damit, dass er ihn mit einem
Desinfektionsmittel besprüht, doch dann siegt die Gier, und er stopft ihn in
die Tasche.
    Â»Ich arbeite jetzt selbstständig«, murmelt er, als ich dem
Geldschein nachschaue. »Keiner mehr da, mit dem man abrechnen könnte.«
    Porkchop ist nicht mehr da. Also sperre ich die Eingangstür mit
meinem Schlüssel auf, fahre mit dem Aufzug hoch und horche unterwegs auf das
einsame Summen, das die Luft einzusaugen scheint. Auf meiner Haut bildet sich
ein Film aus kaltem Schweiß. Ich bin ein Roboter, der das Programm »Türöffnen«
abarbeitet. Die Scherben und Knochen, die ich vor Wochen aus dem Karton nahm,
befinden sich noch in ihrer Plastiktüte. Ich verstaue sie in meiner Tasche und
verlasse die Wohnung wieder.
    Â»Bei Pope Pharmaceuticals gehören Sie zur
Familie.«
    Niemand hält mich auf. Der einsame Wachmann brummt etwas vor sich
hin, als ich ihm meinen Firmenausweis zeige. Er blickt mir nicht in die Augen,
und auch ich meide seinen Blick. Wir kennen beide den Grund. Wir sind noch
hier, im Gegensatz zu den meisten anderen. Das ist keine besondere Ehre,
sondern ein Zeichen von Abartigkeit.
    Das Labor, in dem sie die Mäuse hielten, ist leer. Der Stuhl von
Shultz ist nach hinten geschoben. Das Mikroskop beugt sich wie ein alter Mann
über einen gläsernen Schoß.
    Die Zeit verrinnt. Ich tue, was ich sie hundertmal tun sah, auch
wenn ich vielleicht nicht alles richtig mache. Ich verarbeite die Knochenbrösel
zu einer feinen Masse, bringe sie auf einen Objektträger und schiebe sie auf
die wartenden Arme des Mikroskops.
    Â»Was treibst du da?«
    Die Stimme ist nicht mehr die eines Menschen, aber das Gesicht hat
noch Ähnlichkeit mit Shultz. Er taumelt auf mich zu. »Das kannst du nicht
machen.«
    Â»Ich dachte, du wärst …«
    Â»Tot?« Er lacht. »Mann, das hier ist ein Spiel bis zum letzten Hemd.
Ich halte durch bis zum Ende, sonst ist es aus mit mir. Wir kommen nicht
zurück. Staub. Zu Staub sollt ihr werden. Was hast du für mich?«
    Er greift nach dem Objektträger. Als ich ihn wegziehen will, tut er
so, als wollte er sich auf mich stürzen. Ich weiche aus, ohne lange
nachzudenken, und er schnappt sich die Beute.
    Er schiebt die Glasplatte unter das unbestechliche Auge des
Mikroskops.
    Â»Sch-öön«, sagt er. »Guck mal!«
    Ich hole tief Luft. Presse das Okular ans Auge.
    Und ich sehe, was auch er sieht. White Horse.

    Durch das Telefon geistern jetzt Geräusche, die nichts mit dem
Wählton zu tun haben.
    Etwas lauert und lauscht.

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