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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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ist da draußen los?«
    Â»Schwer zu sagen. Ich hab irgendwas gehört, aber ich kann nix
sehen.«
    Ich bewege mich langsam auf die Tür zu, stelle mich neben ihn und
werfe einen Blick nach draußen. Die Welt vor den Glasscheiben ist tot. Eine
Geisterstadt. Ein schwacher Wind treibt dürres Laub vorbei. Und die United States Times . Eine andere Zeitung gibt es nicht
mehr.
    Kälte sickert durch die Ritzen herein, während sich die Wärme des
Vorraums verflüchtigt.
    Porkchop räuspert sich. »Am Freitag bin ich zum letzten Mal hier.
Zwei Portiers sind zu viel, jetzt wo nur noch fünf Parteien hier wohnen. Sogar
einer is’ zu viel. Ich weiß nich’, ob Mo was gesagt hat, aber der muss auch
gehen.«
    Eine Plastiktüte mit vergilbter Aufschrift flattert vorbei. Als ich
Porkchops Botschaft endlich aufnehme, kann ich sie nicht glauben. »Nur fünf
Parteien?«
    Â»Herb Crenshaw hat es vor zwei Tagen erwischt. Seine Frau schon
letzte Woche. Ihr Sohn lebt, glaube ich, in Indien. Jedenfalls in einem Land,
wo sich die Leute diese langen Binden um die Köpfe wickeln. Und so, wie das
derzeit mit den Nachrichten geht, weiß er wohl noch gar nicht, was passiert
ist. Himmel noch mal, vielleicht is’ er selber tot.«
    Er beugt sich so weit vor, dass seine Nase das Glas berührt.
    Â»Hah, gucken Sie sich das an! Da hat wer sein Halstuch verloren.
Düstere Tage, Miss Marshall. Echt düster. Und sie werden immer noch schwärzer.
Diese Wissenschaftler haben irgendwas mit dem Wetter angestellt, denn normal
ist das nicht. Wir haben Gott gespielt, und nu’ treibt der liebe Gott seinen
Spaß mit uns.« Seine Lippen bewegen sich weiter, aber seine Worte verschwimmen
zu einem Hintergrundrauschen, denn dieses Halstuch … ich kenne dieses Halstuch.
Als ich es zuletzt sah, stopfte sich Jenny seine Enden gerade unter den
Mantelkragen.
    Â»Miss Marshall? Geht’s Ihnen nicht gut?«
    Nein, mir geht es nicht gut.
    Vielleicht remple ich ihn an, oder vielleicht geht er selbst einen
Schritt zur Seite. Ich kann mich an den Ablauf der Ereignisse nicht mehr so
genau erinnern. Irgendwie kämpfe ich mich durch diese Tür ins Freie, wo mir der
arktische Wind eiskalt ins Gesicht bläst. Ich wende mich nach rechts, weil aus
dieser Richtung das Tuch geflogen kam. Ich wende mich nach rechts, weil dort
die Zeitungsautomaten stehen. Ich muss nicht weit gehen.
    Da liegt jemand auf dem Boden, der Jennys Mantel trägt. Ich bete zu
Gott, dass es nicht Jenny ist, sondern irgendeine Obdachlose, die ihr den
Mantel gestohlen hat. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Diebin die gleiche Haarfarbe hat wie sie?
    O Gott … ich schaffe das nicht mehr. Die Sache mit Mom und Dad ist
schlimm genug, doch wie soll ich den Verlust meines zweiten Ichs bewältigen?
Der Schmerz geht über meine Kräfte.
    Â»Jenny«, schluchze ich. »Jenny? Steh auf! Bitte, steh auf!«
    Sie reagiert nicht. Sie liegt einfach da, ein regloses Häuflein
Mensch, und der rote Kreis auf ihrer Stirn verrät mir, dass ich keine Schwester
mehr habe. Ich bin in jeder Hinsicht verwaist.
    Â»Jenny?« Ich knie neben ihr, ohne auf die Blutpfütze zu achten, die
sie umgibt, hebe ihren Kopf und berge ihn in meinem Schoß.
    Mein Verstand zerbirst wie das Gefäß, als ich es mit dem Hammer
zerschlug.
    Gedankensplitter aus dem Kopf einer Verrückten. Ich will einfach
nicht glauben, dass sie mir das angetan hat. Wie kann sie es wagen, mich
alleinzulassen? Mich im Stich zu lassen? Jenny, warum bist du nicht gleich nach
unten gegangen, als ich dich darum bat?
    Geh zum Teufel! Ich presse die geballten Fäuste gegen die Stirn. Ihr
Kopf liegt schwer wie eine Melone in meinem Schoß. Der bohrende Schmerz hinter
meinen Schläfen will nicht nachlassen. Geh zum Teufel, Jenny!
    Â»Verdammt!«, kreische ich. »Wir sollten immer füreinander da sein.
Ich habe dich doch nicht zu mir geholt, damit du auch noch stirbst!«
    Ich schreie weiter, schleudere ihr meinen Zorn entgegen. Dann höre
ich Stimmen, und Sekunden später zerren mich Hände und Arme von Jenny weg.
    Â»Nein, nein, nein. Das ist meine Schwester.«
    Â»Durchsucht die Umgebung nach dem Schützen!«, ruft jemand.
    Â»Lasst uns in Ruhe«, schluchze ich. »Ich habe doch nur noch sie.«
    Aber das ist den fremden Händen gleichgültig. Sie ziehen mich immer
weiter weg vom letzten Rest meiner

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