Wicked - Die Hexen von Oz
schwarzes Kleid gehüllt wie eine Ordensfrau und ihre Haare unter einem breitkrempigen Hut mit einer hohen, kegelförmigen Krone versteckt. Ein Schal, dunkelrot mit Gold, war um den Hals geschlungen und über den Mund gezogen, obwohl es mehr gebraucht hätte als einen Schal, um ihre entzückende spitze Nase zu tarnen. Sie trug elegante, eng sitzende Handschuhe, ein modischeres Accessoire, als man sonst an ihr sah, doch er fürchtete, dass sie nur dem gewandteren Gebrauch der Hände dienten. Ihre FüÃe steckten in groÃen Stiefeln mit Stahlkappen, wie die Bergleute im Glikkus sie trugen.
Wenn man nicht wusste, dass sie grün war, hätte man es an diesem dunklen Nachmittag, in diesem heftigen Schneegestöber schwer erkannt.
Sie sah sich nicht um; vielleicht kümmerte es sie nicht, ob sie verfolgt wurde. Ihre Route führte sie über einige der groÃen Plätze der Stadt. Sie verschwand kurz in der St.-Glinda-Kirche neben dem Nonnenkloster, in der er sie das erste Mal gesehen hatte. Vielleicht bekam sie noch allerletzte Instruktionen, aber sie machte keinen Versuch, ihn (oder sonst jemanden) abzuschütteln. Nach ein, zwei Minuten kam sie wieder heraus.
Oder konnte es sein, dass sie um Leitung und Stärke gebetet hatte?
Sie überquerte die Gerichtshofbrücke, spazierte am Ozma-Ufer entlang und ging dann diagonal durch den verwilderten Königlichen Rosengarten. Der Schnee machte ihr zu schaffen; immer wieder zog sie ihr Cape fester um sich. Ihre Silhouette mit den dünnen, dunklen Beinen in diesen aberwitzig groÃen Stiefeln stach von den schneeweiÃen Flächen des Hirschparks ab (mittlerweile natürlich von Hirschen wie Hirschen verlassen). Mit eingezogenem Kopf marschiertesie an den Zenotaphen und Obelisken und Gedenktafeln für die gefallenen Helden dieses oder jenes Feldzugs vorbei. Die Jahrzehnte, dachte Fiyero, von Liebe zu ihr erfüllt oder wenigstens so besorgt um sie, dass er das Gefühl mit Liebe verwechseln konnte, die Jahrzehnte schauten herab und bemerkten die Vorbeigehende gar nicht. Auf ihren festen Sockeln starrten sie sich gegenseitig an und sahen nicht die Revolution, die auf dem Weg zu ihrer Bestimmung zwischen ihnen hindurchschritt.
Aber der Zauberer konnte nicht ihr Ziel sein. Sie musste die Wahrheit gesagt haben, als sie behauptet hatte, sie sei zu unerprobt und zu auffällig, um für ein Attentat auf den Zauberer in Frage zu kommen. Sie musste Teil einer Ablenkungstaktik sein oder eines Plans zur Ausschaltung eines möglichen Nachfolgers oder eines hochrangigen Verbündeten. Denn heute Abend wollte der Zauberer in der Volksakademie für Kunst und Mechanik nahe dem Palast die antiroyalistische, revisionistische Ausstellung des Kampfes und des Heldenmuts eröffnen. Doch am Anfang der Shizer StraÃe bog Elphaba ab, weg vom Palastbezirk, und ging schnurstracks durch den kleinen, schicken Stadtteil Goldhafen. Die Häuser der Stinkreichen wurden von Söldnern bewacht, und sie trappte auf dem Pflaster an ihnen und an den Stallburschen vorbei, die mit Besen den Schnee vom Bürgersteig fegten. Sie sah nicht hoch, sie sah nicht auf den Weg, sie sah sich nicht um. Fiyero vermutete, dass er mit seinem Abendmantel im Schneetreiben mehr auffiel als sie.
Am Rande von Goldhafen stand ein kleines Blausteinjuwel von einem Schauspielhaus, das Feenzaubertheater. Auf dem schlichten, aber eleganten Platz davor hingen massenhaft Lichterketten und grüngoldene Glitzergirlanden von einer StraÃenlaterne zur anderen. Irgendein Feiertagsoratorium stand auf dem Programm â er konnte vorn auf der Anschlagtafel nur AUSVERKAUFT entziffern â, und die Türen waren noch nicht geöffnet. Die Menge versammelte sich, StraÃenhändler verkauften heiÃe Schokolade in hohen Keramikbechern, und eine Schar kecker junger Burschen amüsierte sich und provozierte einige ältere Herrschaften, indem sie die Parodie eines alten unionistischen Festchorals sang. Der Schnee legte sich auf alles, auf die Lichter, das Theater, die Menschen. Er fiel in die heiÃe Schokolade, er wurde auf dem Pflaster zu Matsch und Eis zertreten.
Wie von fremder Hand gesteuert erklomm Fiyero die Stufen einer nahen Privatbibliothek, um Elphaba im Auge zu behalten, die in die Menge eintauchte. Sollte im Theater ein Mord geschehen? Ein Brandanschlag, bei dem die harmlosen GenieÃer wie Kastanien geröstet wurden? Gab es ein einzelnes Ziel, ein ganz
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