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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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sich Elphaba den Hut vom Kopf und tat ihn in die Schachtel zurück, und als sie ihr Buch wieder zur Hand nahm, sagte Galinda: »Und darf ich die lesende Schöne fragen, wie man ausgerechnet auf solche alten Predigten verfallen kann?«
    Â»Mein Vater ist ein unionistischer Pfarrer«, sagte Elphaba. »Ich bin bloß neugierig, was es damit eigentlich auf sich hat, mehr nicht.«
    Â»Warum fragen Sie ihn nicht einfach?«
    Elphaba gab keine Antwort. Ihr Gesicht nahm einen undurchdringlichen, gespannten Ausdruck an – der Blick einer Eule, kurz bevor sie sich auf eine Maus stürzt.
    Â»Und, worum geht’s darin so? Irgendwas Interessantes?«, bohrte Galinda nach. Sie wollte jetzt nicht aufhören. Es gab nichts anderes zu tun, und sie war von dem Gewitter zu aufgewühlt, um zu schlafen.
    Â»In dem hier wird über Gut und Böse nachgedacht«, sagte Elphaba. »Darüber, ob es das wirklich gibt.«
    Â»Das Böse gibt es, das weiß ich, und sein Name ist Langeweile, und am meisten schuld daran sind die Pfarrer«, sagte Galinda.
    Â»Meinen Sie das im Ernst?«
    Galinda machte sich selten Gedanken darüber, ob sie etwas, was sie sagte, im Ernst meinte; der ganze Sinn der Konversation bestand doch nur darin, dass man redete. »Ich wollte Ihren Vater nicht beleidigen. Bestimmt ist er ein unterhaltsamer und lebendiger Prediger.«
    Â»Nein, ich wollte sagen, glauben Sie, dass es das Böse wirklich gibt?«
    Â»O je, woher soll ich wissen, was ich glaube?«
    Â»Na, dann fragen Sie sich, Damsell Galinda. Gibt es das Böse?«
    Â»Ich weiß es nicht. Sagen Sie’s mir! Gibt es das Böse?«
    Â»Ich glaube kaum, dass ich das weiß.« Elphabas Blick bog ab und schien sich nach innen zu kehren – oder lag es daran, dass die Haare wieder wie ein Schleier nach vorn fielen?
    Â»Warum fragen Sie nicht einfach Ihren Vater? Das verstehe ich nicht. Er müsste das doch wissen, das ist sein Beruf.«
    Â»Mein Vater hat mir viel beigebracht«, sagte Elphaba langsam. »Er hat eine sehr gründliche Ausbildung genossen. Er hat mich lesen und schreiben und denken gelehrt und vieles mehr. Aber nicht genug. Ich bin der Meinung, dass Pfarrer, genau wie unsere Lehrer hier, ihre Arbeit dann gut machen, wenn sie Fragen stellen, die einen zum Nachdenken bringen. Ich glaube nicht, dass man von ihnen erwarten sollte, die Antworten zu haben.«
    Â»Na, erzählen Sie das mal unserem langweiligen Pfarrer zu Hause. Er hat sämtliche Antworten und lässt sich auch noch dafür bezahlen.«
    Â»Aber vielleicht ist ja was dran an dem, was Sie gesagt haben«, meinte Elphaba. »Das Böse und die Langeweile. Das Böse und die fehlende Anregung. Das Böse und das träge Blut.«
    Â»Hört sich an, als wollten Sie ein Gedicht schreiben. Warum sollte sich ein Mädchen für das Böse interessieren?«
    Â»Es interessiert mich eigentlich gar nicht. Es ist nur das Thema, von dem die ganzen frühen Predigten handeln. Also denke ich überdas nach, worüber sie nachgedacht haben, das ist alles. Manchmal sprechen sie von Ernährung, davon, dass man keine Tiere essen darf, und dann denke ich darüber nach. Ich denke einfach gern über das nach, was ich lese. Sie nicht?«
    Â»Ich bin keine große Leserin. Somit bin ich vermutlich auch keine große Denkerin.« Galinda lächelte. »Dafür weiß ich, wie man sich elegant anzieht.«
    Elphaba reagierte nicht. Galinda, die sich normalerweise etwas darauf einbildete, jedes Gespräch in ein Loblied auf ihre Person umlenken zu können, war perplex. Widerwillig fragte sie weiter und ärgerte sich über sich selbst. »Und was haben diese alten Barbaren nun zum Bösen gemeint?«
    Â»Das lässt sich nicht so genau sagen. Anscheinend waren sie darauf versessen, es irgendwo festzumachen, in einer bösen Quelle in den Bergen zum Beispiel, in einem bösen Rauch, in bösem Blut, das von Eltern auf Kinder übertragen wird. Sie waren ein wenig wie die frühen Entdecker von Oz, nur dass die Karten, die sie entwarfen, das Unsichtbare vermaßen und alle sich gegenseitig widersprachen.«
    Â»Und wo haben sie das Böse nun festgemacht?«, fragte Galinda, wobei sie sich aufs Bett plumpsen ließ und die Augen schloss.
    Â»Wie gesagt, sie waren sich nicht einig. Warum hätten sie sonst in Predigten darüber streiten müssen? Einige meinten, das

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