Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
ließ? Wer hindert dich daran, die Früchte auf deiner Tafel zu probieren und gleichzeitig Ausschau nach etwas Besserem zu halten? Warum immer gleich Vollpension, wenn das Leben à la Carte so schön sein kann? Gönn dir einen Urlaub und genieße das Leben, Yvi, das hast du dir verdient!“
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Den Sonntag verbrachte ich mit einem Kater im Bett. Was zum einen an Annis Vortrag lag, zum anderen an dem Sekt, mit dem wir unsere grandiose Vorstellung gefeiert hatten. Und an Ingo, Betreiber des Fitness-Studios, in dem ich jobbte. Dank Anrufbeantworter wusste ich jetzt, dass er ab sofort einen Sportstudenten beschäftigte, der in den nächsten zwei Jahren alles von der Pike auf lernen würde: Thekendienst, Sauna, Buchführung, Kundengespräche, das volle Programm halt.
„Ihr braucht nur noch einmal pro Woche Thekendienst zu machen“, flötete Ingos Stimme aus dem Kasten. „Natürlich dürft ihr weiterhin kostenlos trainieren und die Sauna benutzen, solange ich auf euch zählen kann.“
Der Job war futsch! Und damit die monatliche Miete. Was jetzt?
In Depression versinken und dir einen schönen Tag im Bett machen , riet Anni.
Was ich dann auch tat: Ich sagte Lotta ab, schickte Svenja mit Freund und Baby zum fälligen Besuch bei Mareike und meldete mich für den Rest des Tages krank.
Müde und schlecht gelaunt rieb ich mir am nächsten Morgen die Augen. Wasnlosichhabdochfrei?
Montag – Sascha, Schule, aufstehen!
Ohne die Nachweckzeit auszunutzen schälte ich mich aus dem Bett und riss eine Einheit Frühsport ab, schließlich sollte ich in sechs Wochen einen Halbmarathon laufen. Danach scheuchte ich Sascha durch das Bad, drängte auf Apfel und Vollkorn-Riegel zum Frühstück und fuhr ihn zur Schule. Von dort aus ging es nahtlos weiter zum Training an die Ruhrwiesen. Zehn Kilometer war ich früher schon gelaufen, wäre doch gelacht, wenn ich nicht wieder in Form kommen würde. Sooo schlimm würden die 21,095 Kilometer schon nicht sein. Hoffte ich.
Als ein sichtlich ergrauter Herr mit sportlichem Gruß an mir vorbeizog, war die Depression auf einmal verschwunden. Was der konnte, konnte ich auch, immerhin hatte ich noch fast sechs Wochen Zeit!
Und dann? Was, wenn ich es nicht ins Ziel schaffte, vom Treppchen ganz zu schweigen? Dann würde die ganze Lügengeschichte auffliegen und ich stünde als Betrügerin da.
Yvi kommt in den Kna-ast!, feixte Beelzebub.
Ach was , hielt Thea dagegen. Man wird herzhaft lachen und dir verzeihen, schließlich hat die Frau von heute Stil und erkennt Zynismus, wenn sie ihm begegnet.
Doch der Anni-Engel machte ein anderes Fass auf: Wenn du dich da mal nicht täuschst, Thea, enttäuschte Hausfrauen können grausam sein!
Yvi kommt in den Kna-ast!
Ich versuchte, nicht hinzuhören, und lief weiter. Wenn ich schon aufflog, wollte ich wenigstens diesen verdammten Marathon zu Ende laufen und zeigen, dass ich etwas zu Ende bringen konnte.
Mit den Füßen fanden auch meine Gedanken wieder ihren Rhythmus. Warum nicht einfach den Spieß umkehren und das Drama zum Ziel erklären? Frei nach dem Motto: Braucht es wirklich Doktorgrad und Adelstitel, um ein besseres Selbstbild zu entwickeln? Sind neue, höhere Ziele davon abhängig, dass eine studierte und erfolgreiche Frau sie vorlebt? Vergesst die Titel, Abschlüsse und Vorbilder und macht euch auf die Suche nach eurem eigenen Glück, euren eigenen Zielen. Setzt neue Maßstäbe, sucht Perspektiven und messt euch an euren eigenen Möglichkeiten statt an denen Anderer.
Na also, applaudierte Thea. Geht doch. Hätte von mir sein können.
Mir gefiel die Idee, auch wenn Anni und Beelzebub sich die restliche Stunde darüber stritten, wer mir zuerst den Kopf abreißen würde, die angeschmierten Hausfrauen oder die nicht weniger getäuschte Presse in Form von Andrea Calotti.
Hast du nicht mal von entfernten Verwandten in Australien erzählt ?, flüsterte der Anni-Engel.
Wieso?
Du könntest ja für eine Weile zu ihnen ziehen, bis die Wogen sich geglättet haben.
Yvi kommt in den Kna-ast!
Zurück im Auto zupfte ich die verschwitzten Haare zurecht und beschloss, den überfälligen Frisörbesuch durch neue Haarfarbe aus dem Discounter zu ersetzen. Natürlich landeten bei der Gelegenheit auch Babywindeln, Pflege-Öl und feuchte Tücher im Einkaufswagen. Ganz schön viel Holz für unser Budget, zumal noch nicht einmal Babynahrung dabei war, solange Svenja stillte.
Es war an der Zeit, Bestandsaufnahme zu machen. Sollte Robert doch seinen
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