Wie angelt man sich einen Daemon
die Armbrust gar nicht so lange, wie ich das erwartet hatte. Sie betrachtete sie nur eine Weile, fuhr mit dem Finger über das eingeölte, schimmernde Holz und legte sie dann beiseite, um sich den anderen Dingen in der Truhe zuzuwenden.
»Diese ganzen Sachen«, sagte sie voller Ehrfurcht. »Sie wirken fast so, als ob du in einem Krieg gekämpft hättest, im Mittelalter oder so.«
»In gewisser Weise habe ich das auch«, sagte ich. »Der Kampf zwischen Gut und Böse existiert schon seit sehr langer Zeit.«
Ich erwartete das übliche Allison-Crowe-Augenrollen. Doch stattdessen nickte sie nur weise. Als ob sie bereits ihr ganzes Leben lang über die Fragen von Gut und Böse nachgedacht hätte.
»Woher weißt du das eigentlich immer?«, wollte sie nach einer Weile wissen. »Ich meine, wenn die Dämonen nicht wie die Monster aussehen, denen wir begegnet sind, ist es doch sicher nicht leicht, zu wissen, wer ein Dämon ist und wer nicht – oder?«
Ich hatte bereits auf diese Frage gewartet. Gedacht, dass Allie seit dem Vorfall im Museum vielleicht schon überall Dämonen sah – hinter den Gesichtern ihrer Freunde und denen der Leute, die sie auf der Straße traf. Das wäre auch gar nicht so verrückt gewesen. Schließlich sind Dämonen unter uns. Die ganze Zeit.
Zum Glück befinden sie sich jedoch meist in einem körperlosen Zustand. Sie schweben im Äther und wünschen sich nichts sehnlicher als eine menschliche Hülle, die sie besetzen können.
»Aber manchmal haben sie doch einen«, sagte Allie, nachdem ich ihr das erklärt hatte. »Sie haben einen Körper, meine ich.«
»Stimmt«, entgegnete ich. »Sie können auf verschiedene Weisen an einen Körper gelangen. Entweder ergreifen sie ganz altmodisch Besitz von einem Menschen, auch wenn das nicht viel Spaß machen dürfte. Denn diese ganze Exorzisten-Nummer ist ziemlich aufwändig und unangenehm.«
Allie lächelte. »Ja, kann ich mir vorstellen.«
»Wenn ein lebender Mensch von einem Dämon besessen ist, dann ist das eine Angelegenheit, um die sich meist ein Priester kümmert. Aber dein Vater und ich waren Jäger. Wir jagten die Dämonen, denen es gelungen war, sich unauffällig unter die Menschen zu mischen.«
»Und wie?«
»Indem sie den Körper eines gerade Verstorbenen übernahmen. Die Seele verlässt den Körper, und der Dämon fährt hinein.«
In Allies Gesicht spiegelten sich Angst und Entsetzen wider. »Einen Moment… Willst du damit sagen, dass mein Körper nach meinem Tod vielleicht…«
»Nein, nein«, versicherte ich ihr. »Ein Dämon fährt nicht in jeden Körper. Wenn man dagegen gewappnet ist und weiß, worum es geht, kämpft die Seele. Es gibt nur einen kurzen Moment für den Dämon, in dem er in den Körper hineinfahren kann. Sollte er den verpassen, ist der Körper auch für ihn nur ein toter Körper – sonst nichts.«
Deshalb ereignen sich viele dämonische Übernahmen an Orten, wo die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass jemand stirbt. Krankenhäuser sind natürlich besonders beliebt, und in San Diablo konzentrierten sich die Dämonen außerdem noch auf das Altersheim.
»Aber wenn sie in einen Körper fahren«, erklärte ich, »können sie genau wie du und ich herumlaufen, ohne dass sie jemandem auffallen. Oder zumindest niemandem, der kein Dämonenjäger ist.«
»Genau das wollte ich wissen«, erwiderte sie ungeduldig. »Wieso kannst du einen Dämon erkennen, aber andere Leute nicht?«
Ich gab ihr die komprimierte Version des Handbuchs Dämonen auf einen Blick. Ich erklärte ihr die verschiedenen Möglichkeiten, herauszufinden, ob man es mit einem Dämon zu tun hat oder nicht. Ganz oben auf der Liste stand natürlich der Atemtest.
Den Atem eines Dämons kann man nicht mehr als schlecht bezeichnen. Er ist grauenvoll und stinkt hundert Meter gegen den Wind. Aber in unserer Zeit von Mundwässern und extrastarkem Kaugummi kann sogar der widerlichste Mundgeruch problemlos überdeckt werden.
Ein besserer Test ist der mit Weihwasser. Allerdings kommt es manchmal zu etwas seltsamen Situationen, wenn man versucht, einen Verdächtigen damit zu besprühen, um zu sehen, ob seine Haut Brandblasen wirft oder nicht. Außerdem kann sich ein Dämon nicht auf geweihtem Boden aufhalten. Wie das Sprichwort so schön sagt: Man kann einen Dämon zwar zur Kirche führen, ihn aber nie dazu bringen, auch einzutreten.
Oder so ähnlich.
»Wenn du dir also sicher bist«, meinte Allie, »was passiert dann? Erledigst du sie mit dieser Armbrust?«
»Das
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