Wie Blueten Am Fluss
Damen! Seht zu, daß ihr einen möglichst lebhaften Eindruck macht!« bat Harper, der
versuchte, einen fröhlichen Tonfall aufzusetzen. »Und dann wollen wir euch mal freilassen. Wir
wollen doch nicht, daß diese Kolonistenbauern euch in Eisen sehen! Und denkt dran, das ist nicht das
Ende der Welt, son-
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dern der Anfang eines vollkommen neuen Lebens für euch alle hier.«
»Wer sagt das?« geiferte ein bereits in die Jahre gekommenes Weib.
Morrisa kicherte und machte einen Schritt nach vorn, um den Bootsmann herauszufordern. »Mein
lieber Jamie, Sie glauben doch nicht, daß diese Eisen die braven Pilger da draußen auch nur das
Schwarze unter dem Nagel interessieren? Ich hab' läuten hören, daß viele von diesen Kerlen genau wie
wir anderen armen Teufel auch in Ketten hier angekommen sind.«
James Harper zog es vor, das Flittchen zu ignorieren, während er Roger Blake einen Schlüssel gab und
auf die Beineisen zeigte. »Mach du ihnen die Strumpfbänder auf, Kumpel, während ich mich um die
Armreifen kümmere...«
Auf dem Achterdeck wischte Kapitän Fitch sich mit einem zerknitterten Taschentuch über seine
schweißglänzende Stirn und trat an die Reling. Nachdem er den Forderungen seiner herrischen Frau
endlich nachgegeben hatte, rief er den Bootsmann zu sich herauf. »Mr. Harper, wenn Sie so freundlich
wären, auf die Brücke zu kommen?« Fitch brodelte die Frustration wie bittere Säure im Magen, denn
es war äußerst fraglich, ob er seine Pläne für ein Stelldichein verwirklichen konnte, wenn seine Frau
den Verkauf der Sträflinge mit ihrer gewohnten zähen Hartnäckigkeit überwachte. Im Augenblick
verlangte es ihn nicht im mindesten danach, ihre Tyrannei zu beschönigen. »Mrs. Fitch möchte, daß
alle Betroffenen darüber im Bilde sind, daß sie jede Gelegenheit zu haben wünscht, die heutigen
Transaktionen von Anfang bis Ende zu überwachen.«
»Jawohl, Kapitän«, antwortete Harper und überlegte im stillen, wann Mrs. Fitch wohl endgültig die
Hosen ihres Mannes überstreifen und die ausschließliche Kontrolle über das Schiff ergreifen würde.
Ihm mißfiel ihre Einmischung in den gewohnten Ablauf an Bord zwar aufs tiefste, aber es war ja
weder sein Schiff noch sein Kommando. »Ganz wie Sie wünschen, Sir.«
Harper trat ein zweites Mal vor die Gefangenen hin. »Bitte schön in Reih und Glied aufstellen, meine
Damen, und laßt euch von Mr. Blake die Ketten abnehmen.«
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Mit pflichtschuldigstem Respekt seinem Kapitän gegenüber reichte Harper die Schlüssel an den
Bootsmannsmaat weiter, begab sich zurück auf die Brücke und überließ es dem jüngeren Mann, die
Inspektion der weiblichen Gefangenen vorzunehmen, eine Aufgabe, um die Harper ihn nicht gerade
beneidete. Er fühlte sich immer äußerst unbehaglich, wenn er Frauen wie stumpfsinnige Tiere
behandeln mußte, die zum Verkauf fertiggemacht wurden. Einige schienen so jung und unschuldig zu
sein wie seine entzückende kleine Schwester.
Harper bedachte seinen Vorgesetzten mit einem knappen Nicken, bevor er dem überheblichen Blick
begegnete, mit dem Gertrude ihn musterte. »Guten Tag, Madam.«
»Mr. Harper!« Ihre normalerweise schon durchdringende Stimme wurde noch lauter, wenn sie
entschlossen war, in einer bestimmten Situation das Kommando zu übernehmen. »Wie Sie wissen,
habe ich ein direktes Interesse an den Vorgängen an Bord dieses Schiffes. Ich möchte über jedes
Angebot unterrichtet werden, bevor der Verkauf eines Sträflings endgültig besiegelt wird. Auf diese
Weise kann ich alles für meinen Vater notieren. Haben Sie verstanden?«
Wie konnte irgend jemand auf dem Schiff ihre Gebote mißachten, da ihr Erzeuger doch der Besitzer
der London Pride war? Kapitän Fitch hatte es jedenfalls nicht fertiggebracht. »Wie Sie wünschen, Madam.«
»Da ist noch eine Angelegenheit, die mir größte Sorgen bereitet, Mr. Harper«, informierte sie ihn
schroff. »Es mißfällt mir, daß Sie Jacob Potts ins Kabelgatt gesperrt haben. Der Mann war mir sehr
nützlich, indem er mich über das Verhalten der Gefangenen und jeden bewußten Verstoß gegen meine
Befehle auf dem laufenden gehalten hat. Sie werden Ihre Order augenblicklich zurücknehmen und ihn
freilassen.«
Harpers Kiefermuskeln verkrampften sich, und mit einer hart erkämpften Maske der
Selbstbeherrschung brachte er seine Argumente gegen ihren Erlaß vor. »Ich bitte um Pardon, Madam.
Der Mann hat mir bewußt den Gehorsam verweigert, und wenn ich
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