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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mercer; er war überdies der Enkel von Edith du Mercer, einer
    ehrfurchtgebietenden Matrone und strengen Bewahrerin der Tradition ihres Hauses. Dennoch,
    überlegte Shemaine verbittert, die gewaltige Bestechung, die diese Dame ihr angeboten hatte,
    entsprang der übelsten Scheinheiligkeit. Warum sonst war sie sofort nach ihrer Weigerung, Maurice
    und England für alle Zeiten

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    hinter sich zu lassen, hier an Bord dieses Sträflingsschiffs gelandet? Warum sonst hatte sie die
    Demütigung hinnehmen müssen, als Verbrecherin abgeurteilt zu werden? Hätte sie den Bedingungen
    von Edith du Mercer zugestimmt, wäre es höchst unwahrscheinlich, daß sie sich in ihrer jetzigen
    Situation befände.
    Tränen trübten Shemaines Blick, und Wogen der Qual spülten über sie hinweg, bis sie in einem Meer
    der Verzweiflung zu ertrinken drohte. Wenn es tatsächlich Edith du Mercers Verdienst war, daß man
    sie aus England verbannt hatte, dann war die böse Saat dieser Frau wahrlich aufgegangen. Sie befand
    sich nicht nur einen ganzen Kontinent von ihrer Familie und ihrem Zuhause entfernt, sondern ihr stand
    auch unmittelbar der Verkauf als unfreie Dienstbotin bevor. Damit würde sie dann ihres letzten
    Hoffnungsfunkens beraubt, daß irgend jemand sie in letzter Sekunde doch noch vor einem Leben
    rettete, das in jeder Weise erniedrigend für sie werden würde. Wenn sie nicht an Kummer oder
    Mißhandlung starb, würde sie aller Wahrscheinlichkeit nach einer der gefürchteten Krankheiten dieser
    Kolonien erliegen oder, falls Potts sie fand, der Rache, die er für sie vorgesehen hatte.
    Ein dünner Arm legte sich um Shemaines Schultern und riß sie abrupt aus ihren düsteren Gedanken
    heraus. Überrascht sah sie sich um und stellte fest, daß Annie Carver sie mitfühlend musterte.
    »Eine gerechte Strafe für den widerlichen Potts, wie, Myliedy?« bemerkte die junge Frau mit einem
    schüchternen Lächeln, bevor sie weiter versuchte, die Tränen ihrer Freundin zu trocknen. »Der
    bekommt bestimmt nicht noch mal eine Chance, Ihnen was anzutun, bloß weil Morrisa 's ihm befohlen
    hat. Bis der wieder auftaucht, sind wir lange von Bord.«
    Shemaine war keineswegs überzeugt, daß sie Potts zum letzten Mal gesehen hatte. »Ich würde mich
    bei weitem wohler fühlen, wenn Mr. Harper den elenden Kerl so lange ins Kabelgatt sperren würde,
    bis die London Pride wieder nach England zurücksegelt«, gestand sie schaudernd. »Morrisa weiß genau, womit sie ihren Maulhelden gegen mich aufhetzen kann, und sie wird bestimmt keine Ruhe geben, bis ich nicht halbtot bin. Schließlich habe ich es gewagt, ihr in all diesen Monaten auf See zu trotzen.«

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    Im Geiste mußte Annie ihr recht geben. Bevor sie an Bord des Schiffs auf Shemaine gestoßen war,
    hatte Morrisa mit Erfolg ihre Zellengefährtinnen gezwungen, ihr den besten und größeren Teil des
    wenigen zu geben, was man ihnen zuteilte. Sie hatte selbstverständlich erwartet, daß Shemaine sich
    ebenfalls fügen würde, denn es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß das Mädchen bisher ein
    geschütztes, verhätscheltes Leben geführt hatte, in Kreisen, die denen der anderen Frauen hier bei
    weitem überlegen waren. Aber trotz der Drohungen der Dirne war Shemaine keinen Zentimeter
    zurückgewichen. Sie hatte sich allen Versuchen Morrisas widersetzt, sie zu zerbrechen oder zu
    besiegen. Schließlich konnte Shemaine die übrigen Frauen sogar zu einer Revolte gegen die Hure
    überreden, was den Haß der Frau ins Unermeßliche gesteigert hatte. »Jawohl, die Morrisa haben Sie so
    ziemlich von Anfang an auf ihren Platz verwiesen. Seitdem ist sie fuchsteufelswild.«
    Die Zwistigkeiten, die die Hure heraufbeschworen hatte, hatten Shemaine von einer Sache jedenfalls
    überzeugt. »Morrisa würde nichts lieber tun, als mich mit ihrem kleinen Messer in Stücke zu
    schneiden. Oder besser noch - Potts die Schmutzarbeit für sie machen zu lassen. Sie scheint ja gern
    Befehle zu geben, aber es ist ihr doch lieber, wenn andere den Tadel und die Strafe für ihr Verhalten
    einstecken müssen.«
    Annies Blick richtete sich plötzlich auf etwas hinter Shemaine, und eisige Kälte trat in ihre Augen.
    »Da wir gerade von der Hexe sprechen - da kommt sie schon.«
    Shemaine folgte Annies feindseligem Blick und stieß einen genervten Seufzer aus, als sie Morrisa
    hüftenschwingend heranstolzieren sah.
    Die dunkeläugige Dirne blieb mit einem selbstgefälligen, affektierten Lächeln neben Shemaine stehen.
    »Hat's dir

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