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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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bekommen und ihn blind
    verurteilen. Vielleicht würde Maurice morgen sogar zurückkommen und Satisfaktion in einem Duell
    fordern, zur Tat getrieben von irgendeinem zusammenphantasierten Beweis, den Mrs. Pettycomb oder ein anderes altes Klatschweib ersonnen hatten.
    Der Marquis hatte gesagt, er werde nicht rasten, bevor er eine endgültige Antwort auf die Frage von
    Gages Schuld oder Unschuld gefunden habe. Angesichts einer solchen Warnung wurde Gage sich
    seiner eigenen Grenzen im Umgang mit einer Pistole bewußt. Er verstand sich außerordentlich gut auf
    ein Steinschloßgewehr, aber sobald es ums Duellieren ging, waren seine Erfahrungen äußerst gering.
    Es war überaus wahrscheinlich, daß er bei einer solchen Herausforderung getötet würde. Dann
    konnten all die kühnen Pläne, die er sich ausgemalt hatte, niemals in Erfüllung gehen.
    Gage verschränkte die Hände hinterm Rücken und schlenderte zum Bug vor. Niemand hatte je die
    Tatsache akzeptiert, daß er Victoria geliebt hatte. Er hatte hart gearbeitet, um ihr alles zu ermöglichen, was sich eine Frau ihrer Herkunft wünschen konnte. Sie war auch immer so überaus dankbar gewesen und voller Freude über seine Geschenke, daß er um so härter gearbeitet hatte, um selbst ihre kleinsten Wünsche erfüllen zu können. Mrs. Pettycomb und andere Leute im Weiler hatten seine Arbeitsgewohnheiten als Selbstsucht und ehrgeizige Jagd nach Erfolg betrachtet. Zu Unrecht.
    Victorias Tod hatte ihn in all den Monaten danach gnadenlos verfolgt. Wie oft war er mitten in der
    Nacht aus Alpträumen hochgeschreckt, in denen er verzweifelt die Arme ausstreckte, um sie
    aufzufangen, nachdem sie vom Bug des Schiffes gestürzt war. Aber natürlich immer ohne Erfolg.
    Während der langen, quälenden Stunden des Tages hatte er sich ständig bittere Vorwürfe gemacht,
    Victoria allein gelassen zu haben. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund war ihm, als hätte er sie im
    Stich gelassen. Dennoch war dieser Tag nicht anders als andere gewesen, denn sie hatten oft
    gemeinsam auf dem halb fertiggestellten Deck des Schiffs gestanden und ihre Träume geteilt, Träume
    davon, wie es sein würde, wenn das Schiff erst einmal verkauft war. Keiner von ihnen hätte je
    vermutet, daß sie plötzlich nicht mehr neben ihm stehen würde. Sie waren intensiv damit beschäftigt
    gewesen, das Leben und ihre Liebe zu genießen.
    Wenn Liebe sich messen ließ, mußte Gage zugeben, daß seine Gefühle für Shemaine über das, was er
    einst für Victoria empfun—
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    den hatte, weit hinausgingen. Es erschien ihm eigentlich unmöglich, und dennoch wußte er, daß es die
    Wahrheit war. Als Victorias Ehemann hatte er einst fest geglaubt, daß keine andere Frau jemals ihren
    Platz in seinem Herzen würde einnehmen können. Er hatte sie aufrichtig, tief und ehrlich geliebt. Und
    doch war er nun vollkommen vernarrt in seine junge Frau. Manchmal stieg die Freude seiner Liebe zu
    Shemaine so stark in ihm auf, daß ihm beinahe schwindelig wurde. Wann immer sie in den
    wundervollen Riten der Liebe zueinanderfanden, war er so erregt und voller Hingabe wie ein
    unerfahrener Jüngling bei seiner ersten Eroberung. In jeder Nacht, die er in ihren Armen lag, erfüllte ihn die überwältigende Zärtlichkeit und Ausschließlichkeit, die er für sie empfand, mit neuerlicher Dankbarkeit. Was war ihm seit jenem schicksalsschweren Tag von Victorias Tod widerfahren? War
    seine Erinnerung an die Liebe zu ihr im Laufe der Zeit im Nebel versunken oder gar ganz gelöscht
    worden? Oder hatte er mit der Zeit eine andere Sicht der Dinge bekommen - so wie er das Schiff jetzt
    anders sah, das er entworfen hatte?
    Wußte Shemaine überhaupt, wie sehr er sie liebte und daß sein Herz ganz allein für sie schlug? Wenn
    es Maurice gelang, ihn zu töten, konnte sie dann in den folgenden Wochen, Monaten oder gar Jahren
    dazu verleitet werden, zu glauben, er hätte seine Frau vielleicht doch in einem Wutanfall getötet, so
    wie Roxannes behauptet hatte?
    Mein Gott, nicht das! stöhnte er im Geiste auf. Laß sie weiter an mich glauben! Wenn ich sterben muß, laß ihre Liebe nicht mit mir sterben!
    Ein verstohlenes Knarren von Holz auf der Helling ließ Gage erwartungsvoll herumfahren. Shemaine
    hatte gesagt, daß sie, sobald sie Andrew gebadet und zu William hinaufgebracht hatte, damit er ihm
    eine Geschichte vorlas, zu ihm aufs Schiff kommen würde. Aber die massige Gestalt, die er jetzt
    erblickte, war keineswegs seine grazile

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