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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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was sie sagten, aber es gelang ihr nicht. Sie konnte es einfach nicht. Vor Kälte zitterte sie am ganzen Körper, sie sah nur verschwommen und hörte nur ihren eigenen stockenden Herzschlag.
    Nein. Ich verzeihe dir nicht.
    Wir reden morgen darüber.
    Diese Worte gingen ihr in einer Endlosschleife im Kopf herum.
    »Judith?«
    Sie wandte leicht den Kopf und sah ihre Mutter vor sich stehen, hoch aufgerichtet, die weißen Haare perfekt frisiert, die Kleider makellos gebügelt. Sie wusste, dass ihre Mutter schon seit Stunden hier war; sie hatte wiederholt versucht, mit ihr zu reden, aber welchen Sinn hatten jetzt Worte zwischen zwei Fremden?
    »Lass dir doch helfen, Judith«, sagte ihre Mutter. »Du kannst doch nicht hier im Flur sitzen. Ich besorg dir einen Kaffee. Wenn du etwas isst, wird es dir bessergehen.«
    »Es wird mir nicht bessergehen!«
    »Du brauchst nicht gleich zu schreien, Judith.« Ihre Mutter warf einen Blick nach rechts und links, um zu sehen, ob jemand ihren Ausbruch mitbekommen hatte. »Komm mit.« Sie streckte die Hand aus.
    Jude entriss sich ihr und drückte sich enger in die Ecke. »Mir geht’s gut, Mutter. Lass mich einfach in Ruhe, ja? Such Miles. Oder sieh nach Zach. Mir geht es gut.«
    »Das stimmt doch nicht. Du solltest etwas essen. Du bist schon seit sieben Stunden hier.«
    Jude war es bereits leid, ständig das Gleiche zu hören. Als würde Nahrung in ihrem Magen das Loch in ihrem Herzen stopfen. »Geh weg, Mutter. Ich weiß es zu schätzen, dass du hier bist. Aber ich muss jetzt allein sein. Auch wenn du das nicht begreifst.«
    »Ach, das begreife ich nicht?« Ihre Mutter gab einen leisen Laut von sich und sagte dann: »Schön.« Sie kniete sich neben Jude hin.
    »Was machst du da?«
    Ihre Mutter setzte sich auf den Linoleumboden. »Ich setze mich zu meiner Tochter.«
    Jude spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen – zweifellos war dies wieder einer der eigennützigen Manipulationsversuche ihrer Mutter, um Jude ihren Willen aufzuzwingen. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte es funktioniert. Jude hätte ergeben geseufzt, wäre aufgestanden und hätte das getan, was ihre Mutter verlangte. Aber jetzt war es ihr gleichgültig. Sie würde hier sitzen bleiben, bis Miles sie holen kam. »Du solltest hier nicht sitzen, Mutter. Es ist kalt.«
    Ihre Mutter sah sie an, und für den Bruchteil einer Sekunde lag unermessliche Trauer in ihrem Blick. »Mir ist nicht zum ersten Mal kalt, Judith Anne. Ich bleibe hier sitzen.«
    Jude zuckte mit den Schultern. Das alles war ihr zu viel. Sie konnte im Augenblick an nichts denken, am allerwenigsten an ihre Mutter. »Wie du meinst«, sagte sie müde, doch kaum hatte sie das gesagt, bereute sie es auch schon. Wie konnte diese eine Redewendung eine ganze Ära – ein Kind – so lebendig in Erinnerung rufen?
    Sie sah Mia vor sich, wie sie mit dreizehn – ein unsicherer Teenager mit Akne und Zahnspange – ständig »Wie du meinst« gesagt hatte …
    Sie schloss die Augen und erinnerte sich.
    »Jude?«
    Verwirrt vom Klang ihres eigenen Namens blickte sie auf. Wie lange war sie schon hier? Sie sah zur Seite. Ihre Mutter war neben ihr eingeschlafen.
    Miles stand vor dem OP .
    »Es ist vorbei.« Miles hielt ihr die Hand hin.
    Jude wollte aufstehen, sank aber wieder zurück. Sofort trat er näher zu ihr und stützte sie. Als Jude allein stehen konnte, half er Caroline auf.
    »Danke«, sagte diese steif und strich sich das Haar aus dem Gesicht, obwohl sich keine Strähne aus ihrer Frisur gelöst hatte. »Ich gehe ins Wartezimmer«, verkündete sie. Sie warf Jude einen Blick zu und sah aus, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Doch dann drehte sie sich um und ging.
    Jude klammerte sich an den Arm ihres Mannes und ließ sich von ihm in den Operationssaal führen, wo Mia, mit einem weißen Laken bedeckt, auf der Bahre lag. Ihr silberblondes Haar war von einer hellblauen Kappe bedeckt. Jude nahm sie ab, so dass die Haare auf die Bahre fallen konnten. Sie strich darüber, wie früher.
    Mia sah immer noch wunderschön aus, aber ihre Lippen waren kalkweiß und ihre Wangen durchscheinend blass.
    Jude hielt Mias Hand, und Miles hielt Judes Hand. So waren sie drei miteinander verbunden. Sie sprachen kein Wort, sondern weinten nur, bis schließlich eine Krankenschwester zu ihnen kam.
    »Dr. Farraday? Mrs Farraday? Ich möchte Sie nicht stören, aber wir müssen Ihre Tochter jetzt mitnehmen.«
    Jude umklammerte Mias kalte Hand. »Ich bin noch nicht bereit dazu.«
    Miles wandte

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