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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sich zu ihr und strich ihr das Haar hinters Ohr. »Wir müssen jetzt für Zach da sein.«
    »Aber dann wird sie fort sein.«
    »Sie ist schon fort, Jude.«
    Schmerz regte sich in Jude, aber sie schob ihn weg und flüchtete sich weiter in ihre Betäubung. Sie konnte sich nicht erlauben, etwas zu fühlen. Sie beugte sich zu Mia herunter und küsste sie auf die Wange, bemerkte, wie kalt auch diese war, und flüsterte: »Ich hab dich lieb, Püppchen.« Dann richtete sie sich wieder auf und sah zu, wie Miles ihrem Beispiel folgte. Sie wusste nicht, was er sagte; sie hörte nur ihr eigenes Blut durch ihr Herz rauschen. Zuerst war ihr schwindelig, aber als sie den überfüllten Gang hinunterging, in den Aufzug trat und zum sechsten Stock hinunterfuhr, verging auch das.
    »Mrs Farraday?«
    »Jude?«
    Miles’ Stimme durchdrang den Nebel, der sie umgab. An seinem ungeduldigen Tonfall hörte sie, dass er sie nicht zum ersten Mal ansprach.
    »Dies ist Dr. Lyman«, erklärte er.
    Sie standen in einem anderen Gang, diesmal vor Zachs Zimmer. Jude wusste nicht mal, wie sie hierhergelangt war.
    »Mein herzliches Beileid«, sagte Dr. Lyman.
    Sie nickte wortlos.
    Dr. Lyman ging mit ihnen ins Zimmer ihres Sohnes. Zach saß zusammengesunken und mit verschränkten Armen auf dem Bett.
    »Wer ist da?«, fragte er.
    »Wir sind’s, Zach«, antwortete Jude und bemühte sich, für ihren Sohn stark zu klingen.
    Dr. Lyman räusperte sich und trat zu Zach ans Bett. »Wie fühlst du dich?«
    Zach zuckte mit den Schultern, als wäre das egal. »Mein Gesicht tut höllisch weh.«
    »Das ist die Verbrennung«, erklärte Dr. Lyman.
    »Die Verbrennung?« fragte Zach leise. »In meinem Gesicht? Wie das?«
    »Das kommt nur selten vor«, erwiderte Dr. Lyman. »Die meisten wissen nicht mal, dass das vorkommen kann, aber Airbags enthalten Gas als Treibstoff. Normalerweise entfalten sie sich ganz normal, aber manchmal, und das ist bei dir passiert, Zachary, geht etwas schief, und es kommt zu chemischen Verbrennungen. Die haben auch deine Augen in Mitleidenschaft gezogen.«
    »Wie sehe ich aus?«
    »Die Verbrennungen sind nicht so schlimm«, antwortete der Arzt. »Es gibt eine kleinere Verbrennung an deinem Kiefer, die wir beobachten werden, aber da sollten kaum Narben zurückbleiben – wenn überhaupt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird keine Hauttransplantation nötig sein. Darf ich jetzt den Verband entfernen?«
    Zach nickte.
    Dr. Lyman ging zum Waschbecken, wusch sich die Hände und löste dann vorsichtig Zachs Verband. Zachs Haare waren auf einer Seite abrasiert worden, und da sie auf der anderen Seite lang geblieben waren, wirkte sein Kopf schief und verzogen.
    Als der Verband abgenommen war, sah Jude zum ersten Mal die Verbrennung: eine nässende, mit Blasen übersäte Wunde, die am Haaransatz entlang über seine Wange und seinen Kiefer verlief.
    Langsam entfernte Dr. Lyman auch den Verband über Zachs Augen und die Schutzkappen aus Drahtgeflecht darunter. Er drückte Zachs Kopf nach hinten und träufelte ihm etwas in die Augen. »Gut«, sagte er schließlich, »mach mal die Augen auf.«
    Zachs Wimpern waren verklebt und verkrustet. Er leckte sich über die Lippen und biss sich auf die Unterlippe.
    »Das kannst du, Zach.« Miles beugte sich zu ihm.
    Zachs Wimpern flatterten wie bei einem kleinen Vogel, der zum ersten Mal die Flügel öffnet. Dann, langsam, ganz langsam, öffnete er die Augen.
    »Was siehst du?«, fragte Dr. Lyman.
    Zach ließ sich Zeit und drehte den Kopf hin und her. »Es ist alles verschwommen, aber ich kann sehen. Mom. Dad. Einen Unbekannten mit weißen Haaren.«
    Miles ließ sich nach vorn sacken. »Gott sei Dank.«
    »Das Verschwommene ist nur vorübergehend. In Kürze sollte dein Sehvermögen wieder vollständig hergestellt sein. Du hast Glück gehabt, junger Mann«, sagte Dr. Lyman.
    »Ja, ja. Viel Glück.«
    Als Jude ihren Sohn weinen hörte, wurde ihr Schmerz größer, einerseits um seinetwillen, andererseits, weil sie ihm nicht helfen konnte. Sie konnte nichts tun, um ihm, oder sich selbst oder Mia zu helfen.
    »Ist schon gut, Zach«, beruhigte Miles seinen Sohn, als der Arzt sie allein ließ.
    »Ich bin schuld, Dad«, sagte Zach. »Wie soll ich mit dieser Schuld leben?«
    »Mia hätte dir nicht die Schuld gegeben«, erwiderte Miles. Seine Worte klangen vernünftig, aber seine Stimme verriet ihn. Jude merkte, wie schwer es ihrem Mann fiel, um sein eines Kind zu trauern und gleichzeitig das andere zu trösten. Sie wusste es,

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