Wie der Soldat das Grammofon repariert
eine immer noch bessere zu schenken, und
Onkel Miki ist jemand, der vom Angeln fast so viel Ahnung hat wie ich, und niemand, der Versprechen bricht.
Ich will an der Drina hundertdreißig Jahre alt werden.
So weit draußen war ich allein noch nie. Die Frühe und der Sonntag stören die Bauern auf den engen Feldern nicht. Drei Frauen mit Kopftüchern und mit Hacken in den großen Händen richten sich auf und sehen mir hinterher. Die Felsen und der Fluss zwängen den Boden ein, die Felder sind lang gestreckt. So auch der Apfelgarten, aus dem ich, wie von Vater verordnet, Äpfel stehle, zwei rote, zwei gelbe: ein schmaler, umzäunter Streifen, zwischen Klippen und Wasser. Ich will gerade wieder auf das Rad steigen, als die Sonne durch den Nebel bricht, so unbeherrscht durch die noch dichten Schwaden, dass ihr Licht splittert, die Splitter auf den Fluss fallen und glitzernd in die kräuselnden Wellen schneiden. Vom langhaarigen Geäst zweier Trauerweiden und weißen Klippentürmen fast versteckt, funkelt es am eifrigsten in einer kleinen Bucht jenseits des Gartens. Ab sofort ist ihr Name Lichtlagune, weil ungewöhnliche Orte einen Namen brauchen, das ist wie mit den Sternen. Das Fahrrad lehne ich an den schiefen Zaun, eine Eidechse klettert sofort auf den Lenker und züngelt mich an. Ich zeige ihr den Vogel und trete durch den Torbogen aus überbordenden Weidenästen an das Wasser, das immer noch vor Sonnensplittern rast. In der Bucht liegt ein moosbewachsener Baumstamm quer, links wird sie von Klippen abgerundet, deren Gipfel man durch die neblige Luft höchstens erahnt. Ein Falke stiebt von dem Baumstamm auf, das schieferblaue Gefieder taucht in den Nebel, die Schwanzfedern sind ein roter Schweif: kju, ruft der Falke, ket-ket, ruft er, überschlägt sich in der Luft, als wäre das alles ein riesiger Spaß. Das Geflatter seiner spitzen Flügel klingt nur allmählich aus, dann raschelt nur noch der Wind in den Weiden, beugt der Stille vor. Ich sehe mich um, der Zaun ist von hier aus nicht mehr zu erkennen, nicht die Apfelbäume und keine Straße, ich bin in einem Zimmer, Lichtlagune.
Ich packe die Angeln aus und setze mich auf einen Stein
direkt am Wasser. Der Fluss holt hier mit viel Schwung zu einer Umarmung aus, ich sitze in seiner Armbeuge. Opa Slavko sagt, die Drina sei ein dreister Fluss. Deswegen macht es mir nichts aus, wenn mich die Erwachsenen dreist nennen, ich finde Dreistigkeiten gut und schreie hinaus auf das Wasser: Sie dreister – Sie – schöner – dreister – Fluss – schöner Fluss, hallt es im Canyon, kju, ket-ket, antwortet der Falke, und in den Fluss gischt etwas Großes, vielleicht hat der Falke einen Stein geworfen. Das Plantschen ist aber tiefer und länger als ein Treffen von Stein und Wasser sonst. Ich sehe nirgendwo Spritzer oder Ringe, es kann kein Stein gewesen sein, es war die Drina selbst. Sie hat sich geräuspert, der Wind wird stärker, Drina holt Luft und fragt: wieso denn dreist?
Ich kratze mit der Schuhspitze etwas Ufererde zusammen und trete darauf, weil das unter der Sohle so ein schönes Gefühl gibt. Ich weiß es nicht, sage ich, vielleicht weil Sie im Herbst unnahbar trüb und schnell sind, im Winter nicht gefrieren, im Frühling alles überschwemmen und im Sommer meinen Opa Rafik ertränken wie ein Kätzchen?
Ich warte. Die Drina schweigt. Die Felsen schweigen nicht. Steine lösen sich und kullern in den Fluss. Die Lichtlagune wird dunkler. Ein Grollen weiter oben im Berg. Die Drina antwortet nicht. Aus dem Rucksack hole ich die Dose mit dem Fischfutter und die Angeln. Kju. Ket-Ket. Ich werde wütend, weil Drina schweigt, und sehe auf den Fluss: Sie sagen nichts? Sie erinnern sich gar nicht an Opa Rafik?
Ich drücke die Futterkugel kurz unter die Oberfläche und schleudere sie wütend hinaus. Paniermehl, Honigkuchen und Lakritz – gemahlen, Haferflocken, zerschnittene Maden. Die Kugel landet mit einem dumpfen Platschen, aus dem die Drina fragt: wie sah dein Opa aus?
Das müssten Sie besser wissen, sage ich und tauche die Hände zum Waschen ein, Sie haben ihn zuletzt gesehen und ich war noch zu klein.
Es tut mir Leid.
Ich war sehr klein.
Möchtest du schwimmen?
Danke, nicht so bald, nachdem ich über den Tod gesprochen habe.
Ich entscheide mich für einen sechser Einfachhaken. Tun Ihnen die Haken eigentlich weh?, frage ich.
Willst du das nicht lieber die Fische fragen?
Ich stecke den ersten Regenwurm auf den Haken und werfe weit aus. Die Pose bewegt sich
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