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Wie ein boser Traum

Wie ein boser Traum

Titel: Wie ein boser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Webb Debra
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aufpassen musste, damit es nichts kaputt machte oder davonlief.
    Völlig neue Gefühle überkamen Emily. Neugier. Verständnis. Dann Mitleid und Traurigkeit. Das Haus sah aus, als wäre es auf den Kopf gestellt worden, weil jemand gehofft hatte, etwas Wertvolles zu finden.
    »Die haben eine Menge zerstört. Fotos in kleine Stücke zerrissen. Wirklich eine Riesenschweinerei.«
    Ray redete immer weiter, aber Emily hörte gar nicht mehr hin, richtete ihr ganzes Augenmerk auf die zerstörten Gegenstände, die überall im Wohnzimmer lagen. Zerbrochene Bilderrahmen, die dazu gehörenden Bilder zerrissen. Es war leicht, die verstreuten Teile im Geiste zusammenzusetzen. Clint Austin und seine Mutter. Scherben irgendeines Gegenstandes aus Porzellan, rosafarben und weiß. Das zerbrochene Gesicht einer Frau mit langen, roten Haaren.
    Die Bildröhre eines kleinen Fernsehgerätes war eingeschlagen worden. Möbel lagen umgekippt da.
    »… haben Sie irgendetwas gesehen?«
    Emilys Aufmerksamkeit wandte sich wieder Ray zu. »Was haben Sie gesagt?«
    »Clint dachte, Sie könnten vielleicht jemanden gesehen haben, der das Haus verließ, als Sie gekommen sind.«
    Er glaubte doch wohl nicht, dass sie irgendetwas mit dieser Sache zu tun hatte. Doch, er hatte sie gefragt, warum sie das getan hatte.
    »Es war niemand da, als ich ankam«, sagte sie. »Ich war vielleicht zwanzig Minuten hier, bevor er auftauchte,
aber ich bin erst aus meinem Auto gestiegen, als er aus dem Haus kam und sich wie wild aufführte.«
    »Sie haben niemanden auf der Straße gesehen, an den Sie sich erinnern können?«
    »Nein.« Im Geiste ging sie die Fahrt von der Stadt hierher noch einmal durch. Sie war unaufmerksam gewesen und hatte an anderes gedacht, aber auf dem Highway 18 war kein Verkehr, wie immer. Einem anderen Fahrzeug zu begegnen wäre ganz ungewöhnlich gewesen. »Ich glaube nicht.«
    Ganz plötzlich war ihr zumute, wie Schulleiter Call sich in jener Nacht gefühlt haben musste. Sie konnte die Frage wirklich nicht genau beantworten. Hieß das, dass jemand anderer – also nicht Austin – in jener Nacht in der Nachbarschaft – in ihrem Haus – gewesen war? Ihr Herz setzte kurz aus und schlug dann umso heftiger. Schluss jetzt! Sie musste nun wirklich keine Ratespiele veranstalten. Schließlich war sie während der ganzen Nacht in dem Zimmer gewesen.
    Ray stemmte die Hände in die Hüften und hielt seinen Hut immer noch in einer Hand. »Emily, ich weiß, wie schwer das alles für Sie sein muss.«
    Sie konnte es nicht ausstehen, das immer wieder zu hören. Bevor sie ihm das erklären konnte, redete er weiter. »Sie wissen, dass ich gut verstehen kann, wie es Ihnen geht. Heather war Ihre beste Freundin. Sie starb in Ihren Armen. Für Sie stellt Clint alles Schlechte dieser Welt dar. Aber er hat seine Zeit abgesessen. Er verdient die Chance, ein normales Leben zu führen.« Ray seufzte. »Und Sie auch.«
    Wütend, enttäuscht und schockiert zugleich, verlor sie fast das Gleichgewicht. Dass er sie für fähig hielt, so etwas
Scheußliches zu tun, schockierte sie. Sie war enttäuscht von einer Welt, die meinte, sie würde ein ganz normales Leben führen können. Und sie war unendlich wütend, dass jemand annehmen konnte, Clint Austin habe irgendetwas Gutes verdient. Außerdem war sie wütend auf sich, weil sie über die ganze Sache viel zu viel geredet hatte.
    Clint Austin war schuldig. Er verdiente es nicht, dieselbe Luft zu atmen wie sie. Aber das hier – sie ließ den Blick über sein verwüstetes Wohnzimmer schweifen – war eine Schande, ein Angriff auf seine Mutter und auf alles, wofür sie so hart gearbeitet hatte.
    »Ich habe mit der Sache nichts zu tun, Chief Hale«, sagte Emily und sah dem Mann, der sie eigentlich besser kennen sollte, in die Augen. »Ich habe keine Ahnung, wer so niederträchtig ist, so etwas zu tun.« Wie er stemmte auch sie die Hände in die Hüften. »Aber vor allem bin ich enttäuscht, dass Sie oder irgendwer sonst in dieser Stadt auch nur eine Sekunde der Meinung sein kann, dass Clint Austin etwas anderes verdient haben könnte als eine Rückreise in die Hölle, aus der er vorgestern hervorgekrochen ist.«
    Ihre Gefühle überwältigten sie. Verwirrung, Wut, Enttäuschung … Selbsthass. Sie musste einen Moment innehalten, um sich zu beruhigen. Als Ray etwas sagen wollte, hob sie die Hand. »Ich bin noch nicht fertig.« Er schwieg. »Er ist ein Mörder. Ich finde, solange er nicht tot ist und in der Hölle schmort, hat er

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