Wie ein boser Traum
muss gehen.« Er befreite sich aus ihrer Umklammerung.
Seufzend setzte sie sich aufs Bett zurück und stellte ihren durchtrainierten Körper einladend zur Schau. »Na gut, wenn du wirklich wegmusst.«
Als er sich das Hemd überzog, machte sie ein gereiztes Gesicht und verzog die vollen roten Lippen zu einem Schmollmund; dann rief sie ihm in Erinnerung: »Vergiss es das nächste Mal nicht. Du hast mir versprochen, dass du es nie vergisst.«
»Stimmt.« Er zog sich rasch die Schuhe an und wollte nur noch raus. Er hatte das dumme Geschenk vergessen, das er ihr versprochen hatte. Sie bestand immer auf einem Geschenk. Aber heute waren ihm andere Dinge im Kopf herumgegangen. Clint Austin war zurückgekommen. Keith hatte ihn gesehen. Er hatte ihn genau angeschaut
und erkannt, was zehn Jahre Holman mit ihm angestellt hatten. Austin hatte schwer gebüßt.
Keith hatte geglaubt, dass die Vergangenheit nach so vielen Jahren hinter ihm liegen würde. Jetzt wusste er es besser. Niemals würde er jene Nacht hinter sich lassen. Er hatte einen Fehler gemacht … einen, den er nicht wiedergutmachen konnte. Er würde sich das niemals verzeihen.
Seitdem versuchte er, alles richtig zu machen. Er hatte an einer wenig glücklichen Ehe festgehalten. Er hatte sich um Troy gekümmert, ganz egal, in welche Schwierigkeiten der geriet oder ihn selbst brachte. Aber das alles war nicht genug.
Er musste hier raus.
»Bis später, Süßer«, schnurrte sie.
Er nickte, blickte aber nicht zurück. Und das durfte er auch nicht. Dazu erdrückten ihn die Probleme viel zu sehr.
17
Freitag, 19. Juli, 8.00 Uhr
Emily hielt es nicht mehr aus. Sie musste unbedingt dahinterkommen, was zwischen ihren Eltern und Fairgate vor sich ging.
Ungeduldig wartete sie darauf, dass sie von ihrem Morgenlauf zurückkamen. Sie zitterte, überprüfte den Thermostat und stellte ihn ein Grad höher ein. In der vergangenen Nacht hatte sie sich hin und her geworfen,
unfähig, an irgendetwas anderes zu denken als an Clint Austin. Es war furchtbar. Ihre Eltern waren möglicherweise in Schwierigkeiten, und sie musste ständig nur an ihn denken, an die Verhandlungsprotokolle und an die Gerüchte, die unmöglich wahr sein konnten.
Ihre gesamte Existenz war seit so langer Zeit auf Austin fokussiert, dass sie die Anzeichen, ihre Familie könnte ihre Hilfe benötigen, übersehen hatte. Was für eine Tochter war sie geworden?
Cathys und Violets Bemerkungen, Emily habe sich für Austin aufgespart, hatten alle Alarmglocken bei ihr läuten lassen. Deshalb hatte sie in der vergangenen Nacht nicht aufhören können, wie besessen zu analysieren, was sie eigentlich getan hatte. Seit dem Mord hatte sie keinerlei Interesse am gesellschaftlichen Leben mehr. An jedem Tag der vergangenen zehn Jahre hatte sie nur das getan, was sie tun musste. Existieren. Nichts weiter. Sie fühlte nichts, wollte nichts. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie auf Austin gewartet hatte.
Wie üblich hatte Dr. Brown auch dafür eine Theorie. Er war sich sicher, dass Emily sich selbst bestrafte. Warum sollte sie am Leben sein, wenn Heather es nicht mehr war? Das war endlich mal ein Punkt, in dem er vermutlich Recht hatte.
Abermals ging Emily im Wohnzimmer auf und ab und versuchte, nicht an Austin zu denken, sondern sich auf das wirkliche Problem zu konzentrieren, mit dem sie sich jetzt beschäftigen musste. Sie fand den Gedanken nicht berauschend, ihre Eltern auf Fairgate anzusprechen. Aber vielleicht konnte sie ihnen ja helfen. Im Übrigen würde es nichts bringen, weiter im Haus herumzuschleichen, wenn sie die Wahrheit herausfinden wollte. Fairgate hatte sich
geweigert, irgendetwas zu sagen, und im Arbeitszimmer ihres Vaters hatte sie auch keinerlei Anhaltspunkte gefunden. In ihrem Elternhaus herumzuschnüffeln, darin sah sie einen weiteren Tiefpunkt für sich. Aber sie war zum Äußersten entschlossen. Erwog sogar, Clint Austin zu fragen, was er über Fairgates Geschäfte mit ihrem Vater wusste.
Langsam und immer stärker verfestigte sich ein Gedanke in ihr: Vielleicht sollte sie mit allem, was mit der Vergangenheit zu tun hatte, ganz offensiv umgehen. Schulleiter Call war sich unsicher gewesen, ob er in jener Nacht nicht noch eine weitere Person in der Gegend gesehen hatte. Hinzu kamen die – sogar von ihren Freundinnen – hingeworfenen Bemerkungen, dass Austin möglicherweise unschuldig sei. Das alles verwirrte sie in höchstem Maße. Sie sollte von allen Beteiligten klare Antworten verlangen.
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