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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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Fuß wippt unaufhörlich
auf und ab, leicht schaukelt er mit dem Oberkörper vor
und zurück. Er hat mich noch nicht gesehen, und am liebsten
möchte ich zu ihm laufen und ihn in die Arme nehmen, aber ich
unterdrücke diesen Impuls und gehe nur langsam weiter.
    »Hi.«
    Er fährt erschrocken herum und springt auf. Eine Weile stehen
wir voreinander und schauen uns an.
    »Ha-hallo, Jana, danke, d-dass du gekommen bist.« Er stottert,
so als ob er nach den richtigen Worten suchen muss. Seine
Meeresaugen sind heute anders, nicht leuchtend hell wie sonst,
sondern ganz dunkel, so wie das Meer an seiner tiefsten Stelle ist.
    »Schon okay.« Ich setze mich neben ihn und endlich nimmt
auch er wieder Platz.
    Wie soll ich nur beginnen? Tausendmal habe ich mir die
Worte zurechtgelegt und jetzt fällt mir nicht ein einziges ein.
Der Vorwurf, mit dem Mika mich auf dem Friedhof beschimpft
hat, steht noch zwischen uns wie eine Mauer, die viel zu hoch
ist, um sie zu überwinden. Diesmal müsste ich wirklich fliegen
können, denke ich und berühre unwillkürlich meine Schulter an
der Stelle, an der unter einer Schicht von Kleidern der Schmetterling
sitzt.
    Mika folgt meiner Bewegung, aber als er meinen Blick bemerkt,
schaut er schnell wieder vor sich auf den Boden. Wir
schleichen umeinander wie zwei Hunde, die sich gegenseitig
beschnüffeln und sich nicht über den Weg trauen.
    Von der Seite betrachte ich seine Hände, die jetzt auf seinem
Schoß liegen und einander unablässig kneten. Ich wage kaum zu
atmen, aus Angst, er könnte aufspringen und davonlaufen.
    Als Mika endlich aufsieht, hat er Tränen in den Augen. »Ich
vermisse sie so.«
    Sofort ist das Brennen wieder da, und ich muss schnell wegschauen,
damit er nicht sieht, wie ich mit ihm weine.
    Und ich vermisse dich so, möchte ich sagen, aber ich schlucke
die Worte hinunter wie so vieles in den letzten Tagen. Noch ist
da diese Mauer. Sie mag Risse haben, aber sie steht immer noch
zwischen uns.
    »Das, was ich am Samstag gesagt habe. Es …«, er wischt sich
mit dem Ärmel über das Gesicht. Dann schaut er mich wieder
an. »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.«
    Ich presse die Lippen zusammen und nicke. Weiß nicht, was
ich jetzt tun, und vor allem nicht, was ich darauf erwidern soll.
Mika druckst herum, kaut auf seiner Unterlippe, öffnet den
Mund, schließt ihn wieder, seine Hände kneten und kneten. Ich
warte.
    Dann endlich bricht es aus ihm heraus. »Was weißt du über
Mel? Was ist das für eine Sache mit dem Doping?«
    Ich hole tief Luft. Plötzlich unsicher, wie ich diese Frage beantworten
soll, auf die ich so lange gewartet habe. Was weiß
ich wirklich? Und wie viel davon habe ich mir nur zusammengereimt?
Auf einmal bin ich es, die ihre Hände nicht stillhalten
kann.
    »Bitte, Jana.«
    Ich schaffe es kaum, seinem Blick standzuhalten.
    »Okay, ich sag dir jetzt, was ich weiß.« Meine Stimme klingt
ganz rau. Noch einmal atme ich tief durch. »Aber du musst mir
etwas versprechen.«
    Fragend sieht er mich an.
    »Versprich mir, dass du mir erst einmal nur zuhörst. Lass
mich ausreden und warte, bis ich dir alles erzählt habe, bevor du
etwas dazu sagst, einverstanden?«
    Er nickt. Ich sehe, wie er gegen den Drang ankämpft, etwas
zu erwidern.
    »Also gut. Du hast mir erzählt, dass Mel«, es fällt mir unsagbar
schwer, ihren Namen auszusprechen, »dass deine Schwester
große Pläne hatte.«
    Er will den Mund öffnen, aber ich unterbreche ihn. »Stimmt,
du hast gesagt, dass
euer Vater
große Pläne mit Mel hatte.«
    Diesmal nickt Mika.
    »Du weißt ja von diesem Sichtungstermin, der letzte Woche
stattfinden sollte.«
    Wieder nickt er. Und dann erzähle ich ihm alles. Ich erzähle
ihm von Drexler, von seiner Drohung und seinem Versuch,
mich zu erpressen. Ich erzähle ihm von meiner Angst um mein
Stipendium, aber auch von meinem inneren Konflikt und meinen
vielen Versuchen, mit Melanie zu sprechen, davon, wie ich
herausfinden wollte, ob sie von Drexlers Plan etwas wusste.
    Als ich zu dem Schwimmwettkampf komme, bei dem ich disqualifiziert
worden bin, schüttelt Mika hektisch den Kopf und
fällt mir ins Wort. »Mel hatte nichts damit zu tun. Sie war entsetzt,
dass du disqualifiziert worden bist. Sie sagte, sie könnte
sich gar nicht über einen Sieg freuen, der nur dadurch zustande
gekommen ist, dass du rausgeflogen bist.«
    Ich starre ihn an. »
Das
hat sie gesagt?«
    Mika nickt.
    »Warum hat sie mir das nicht gesagt?«, frage ich ihn, aber er
zuckt nur hilflos mit den

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