Wie ein Prinz aus dem Maerchen
alles über Autos beigebracht, was er wusste. Um ihr Leben zu retten, hatte er seine Heimat, seine Familie aufgegeben. Jetzt war es zu spät, ihm dafür zu danken, doch vielleicht konnte sie es an seinen Angehörigen wiedergutmachen.
Sie beschloss zu duschen, zog sich aus, trat in die großzügige Duschkabine und öffnete den Wasserhahn. Heißes Wasser prasselte in Strömen wie von einem Wasserfall auf sie herab, ganz anders als das Rinnsal, das sie aus dem Camper gewohnt war.
Erst nach geraumer Zeit beendete sie ihre Dusche, trocknete sich ab, schlüpfte in den luxuriösen Bademantel und kämmte sich das Haar. Dann kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, um sich anzukleiden, doch ihre Reisetasche stand nicht mehr da, wo sie sie zuletzt gesehen hatte. Hatte die Person, die ihre Toilettenartikel ausgepackt hatte, auch ihre Kleidung in den Schrank gehängt? Sie sah in dem riesigen Wandschrank nach, doch die Bügel an der Kleiderstange waren leer, ebenso sämtliche Schubladen. Vielleicht hatte jemand ihre Sachen mitgenommen, um sie zu waschen und zu bügeln?
Sicher kann die Zofe, die mich hierher begleitet hat, mir weiterhelfen, überlegte sie. Sie musste sie nur finden.
Vorsichtig öffnete sie die Zimmertür und spähte auf den Flur hinaus. Er war menschenleer. Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Bademantels. Jetzt hieß es abwarten. „Ist hier jemand?“, fragte sie nach einiger Zeit leise. Niemand antwortete ihr, sie entdeckte keine Spur von den vielen Hausmädchen und Dienern. Ungeduldig zog sie den Gürtel ihres Bademantels fester um ihre Taille, trat auf den Flur hinaus und marschierte einfach los.
Je weiter sie sich von ihrem Zimmer entfernte, desto nervöser wurde sie. Sicher geziemte es sich für eine Prinzessin nicht, barfuß, mit nassem Haar und nichts als einem Bademantel bekleidet durchs Schloss zu irren. Sie sollte lieber umkehren.
Gerade hatte sie sich dazu entschlossen, als eine Tür geöffnet wurde und ein großer weißhaariger Mann in einem adretten Anzug auf den Flur kam. Er hinkte leicht, und sie erkannte bei näherem Hinsehen, dass er eine Beinprothese trug.
Ohne sie zu bemerken, schlug er die entgegengesetzte Richtung ein.
Schnell lief sie ihm hinterher. „Entschuldigen Sie! Arbeiten Sie hier?“
Überrascht hielt er inne, wandte sich um und betrachtete sie voll Interesse. „So ist es.“
„Was für ein Glück!“
„Und wer sind Sie?“
„Ich heiße Izzy und bin heute Morgen aus den USA angekommen.“
„Willkommen, Izzy.“ Er lächelte freundlich, was die tiefen Falten in seinem Gesicht betonte und seine blaugrünen Augen zum Strahlen brachte. „Ich bin … Dee.“
„Sehr erfreut!“ Der Mann wirkte trotz seines Alters sehr attraktiv und musste als junger Mann geradezu umwerfend ausgesehen haben. Irgendwie erinnerte er sie an Nikolas. „Ich habe ein Problem. Die Reisetasche mit meiner Kleidung ist aus meinem Zimmer verschwunden, ich kann sie nirgends finden.“
„Wie unangenehm!“
„Es gibt hier doch keine Poltergeister, oder?“
„Das nicht, aber einige Leichen im Keller haben wir schon!“
„Das habe ich mir gedacht.“ Mit dem Personal zu plaudern fiel ihr leichter, als mit dem Prinzen zu sprechen, und das bewies ihr einmal mehr, dass sie sich nicht zur Prinzessin eignete. „Ich möchte Sie nicht aufhalten, aber könnten Sie mir erklären, wo ich meine Zofe finde? Sie heißt Mara. Vielleicht weiß sie, wo meine Sachen sind.“
„Es gehört sogar zu meinen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass alles im Schloss in geordneten Bahnen läuft.“
„Dann sind Sie so etwas wie ein Verwalter?“
„Gewissermaßen.“ Irgendetwas schien ihn köstlich zu amüsieren, dennoch fuhr er ruhig und höflich fort: „Wo Mara ist, weiß ich zwar nicht, dafür kann ich Ihnen Kleider beschaffen.“
„Wunderbar!“
„Darf ich?“ Er bot ihr den Arm, und sie hängte sich bei ihm ein. Trotz der Prothese ging er so zügig, dass sie sich anstrengen musste mitzuhalten.
„Wie gefällt Ihnen Veronia?“
„Ich habe noch nicht viel vom Land gesehen. Dieses Schloss allerdings könnte aus einem Märchen stammen.“ Sie blickte zur Decke empor, die von einem wunderbaren Fresko geziert wurde.
„Sind Sie mit Ihrer Unterbringung zufrieden?“
„Mehr als das! Eigentlich wollte ich lieber in einem Hotel absteigen, doch Prinz Nikolas bestand darauf, mich hierher zu bringen. Er meinte, ich hätte es hier bequemer, und das stimmt. Ich habe ausgezeichnet geschlafen und eine erfrischende
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