Wie Tau im Wuestensand
voll zur Geltung.
Das Resultat war atemberaubend, für
Holly allerdings ein ganz gewöhnlicher Anblick. Mit diesem Gesicht trat sie in
die Öffentlichkeit: ihre Rüstung, die sie der Welt gegenüber anlegte und die
die sensible Holly dahinter schützte.
Mit geübten Bewegungen nahm sie die
Lockenwickler aus ihrem Haar und bürstete es aus. Sie arbeitete mit kräftigen
Strichen, wobei das Haar leise knisterte, als wäre es lebendig und wolle sich
ihrem Zugriff entziehen. Ein paar Strähnen an den Seiten zupfte sie locker über
die Ohren. Den Rest der Schläfenlocken steckte sie am Hinterkopf fest.
Die Haarspange war mit einem Strauß
goldener Kettchen dekoriert, die mit denen ihres Kleides korrespondierten. Abgesehen
von dieser einzigen Zügelung ließ Holly ihre Haare offen über den Rücken
fallen, so daß man ihr schwarzes Haar kaum von der schwarzen Seide
unterscheiden konnte.
Sie schlüpfte in ein paar
hochhackige goldene Sandalen, streifte das Cape ab und betrachtete sich
kritisch im Spiegel. Selbst ihr wurde nun etwas beklommen zumute.
Noch nie war ihre Verwandlung so
erstaunlich und so makellos gelungen. Das sinnliche Begehren, das Linc
ausgelöst hatte, glühte auf ihrer Haut und leuchtete im Gold ihrer Augen und
der Ungeduld ihres Mundes.
Mit einer Mischung aus Stolz und
Angst registrierte Holly, daß sie noch nie anziehender ausgesehen hatte.
Als sie aus dem Badezimmer trat,
nahm Beth sie gar nicht wahr, denn das Mädchen starrte gerade gebannt auf den
Fernsehschirm.
Bevor sie das Bild sah, hörte sie
bereits den Text.
»...die duftende Haut einer Frau
und Royce – sonst nichts!«
Es war der Werbespot, den Holly im
letzten Jahr gedreht hatte. Damals wurde eine Kollektion diverser Dessous vorgestellt,
die seither hervorragend gelaufen war.
»Beth?«
»Diesen Spot habe ich schon
hundertmal gesehen«, erläuterte Beth, ohne sich umzudrehen. »Shannon ist die
schönste Frau auf der ganzen Welt.«
»Danke.«
Überrascht drehte sich das Mädchen
um und sah die Ältere eigentlich zum ersten Mal.
»Holly ...?« fragte sie mit schwacher
Stimme.
»Ein und dieselbe.«
Vollkommen überrumpelt starrte Beth
sie an.
»Nun, jedenfalls fast dieselbe«,
ergänzte Holly. »Ein Kleid von Royce vollbringt an jeder Frau Wunder. Und Roger
hat diese Robe extra für mich entworfen.«
»Ich ... ich ...« Beth schluckte und
setzte noch einmal an. »Das kann doch nicht wahr sein. Warum hast du uns das
nicht vorher gesagt?«
»Ich habe nie meinen Job
verheimlicht. Und das da bin ich.« Sprachlos schüttelte Beth den Kopf.
»Was hätte ich denn sagen sollen?«
Holly schwenkte ihr Abendtäschchen. »Guten Tag, ich bin Shannon, das international
gefragte Supermodel. – Wenn man berühmt ist, braucht man das doch nicht noch zu
betonen, oder?«
Beth
blinzelte. Dann gackerte sie los.
»Warte nur, bis Cyn dich sieht!«
rief sie. »Oh, da muß ich dabeisein. Unbedingt und ganz bestimmt!«
»Das dachte ich mir«, erwiderte
Holly. »Deshalb habe ich dich ja auch gebeten, auf mich zu warten.«
»Und Linc.
Mein Gott, wenn Linc dich ...«
Beth hielt abrupt inne, als ihr
klarwurde, daß ihr Bruder sich kein bißchen darüber freuen würde.
Ganz im
Gegenteil, Linc würde rasen vor Wut.
»Heiliger
Bimbam, Linc wird ausrasten.«
»Genau«, sagte Holly und versuchte
zu lächeln. »Das war der zweite Grund, warum du auf mich warten solltest. Ich
glaube nicht, daß er mich vor den Augen seiner kleinen Schwester erdolchen
wird.«
Beth war
davon offenbar nicht so überzeugt.
Holly
atmete tief durch und streckte ihre Hand aus.
»Aber das Wichtigste zuerst«, raffte
sie ihre gute Laune zusammen.
»Und das
wäre?«
»Mal sehen, wie weit Cyn ihren Mund
heute aufreißen kann.«
15
Als Holly und Beth schließlich unten
anlangten, war es bereits relativ dunkel. Vom Wind getriebene Wolken verdeckten
den Mond bis auf gelegentliche blasse Strahlen.
Musik plätscherte durch die Nacht,
ein klassischer Walzer erklang. Unzählige kleine weiße Glühbirnen glitzerten in
den Bäumen und Zäunen und wiesen den Weg zum Tanzpavillon. Dort belebte sich
gerade die Szene. Gutaussehende, fröhliche Paare zogen auf das Parkett.
Manche der Gäste hatten zunächst die
Pferdeauktion und das Barbecue besucht und waren dann noch einmal nach Hause
gefahren, um sich für den Abend umzuziehen. Andere wiederum hatten ihre
Garderobe mitgebracht und wechselten sie in einem der sechs Gästezimmer der
McKenzies. Wiederum andere hatten bereits der Auktion
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