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Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Titel: Wie weit du auch gehst ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Höll
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hinter sich wie er. Aber im Gegensatz zu ihm hatte Mirco sich damit abgefunden und das Beste daraus gemacht. Er hatte eine Frau und drei Kinder – eventuell inzwischen auch vier, wenn man die fortgeschrittene Schwangerschaft seiner Frau bedachte – und einen guten Ruf als Fälscher. Das war mehr, als er von den meisten ehemaligen Mitgliedern seiner Jugendclique behaupten konnte. Viele von ihnen waren schlichtweg nicht mehr am Leben.
    Ohne größere Eile ging er weiter. Als er am Friedhof vorbeikam, krampften sich seine Finger um den Stift. Es kostete ihn einiges, die Ruhestätte nicht zu betreten.
    Er wusste genau, wo die Gräber lagen. Fast so genau, als wäre die Beerdigung erst wenige Tage her. Auf diesem Friedhof lag seine gesamte Familie. Seine Eltern, seine fünf Schwestern. Alle gestorben an einem einzigen Tag …
    Der Bleistift in seiner Hand brach mit leisem Knacken in zwei Teile. Silas riss sich zusammen. Diszipliniert entspannte er sich und ließ die Bruchstücke unauffällig in seinem Sakko verschwinden. Es war frustrierend, dass seine Wut trotz der Jahre, die inzwischen vergangen waren, kaum nachgelassen hatte.
    Nevio hatte recht gehabt. Die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen, nichts konnte das Schicksal rückgängig machen. Manches war unwiederbringlich verloren. Silas klappte den Stadtführer zu und ging weiter, ehe noch jemanden auffiel, dass er außergewöhnlich lange vor dem Friedhof herumlungerte.
    Eine Bäuerin mit einem Kind auf dem Arm kam ihm entgegen und grüßte. Silas nickte ihr zu. Unvermittelt hatte er Constanze und Eliah vor Augen, die mehr als tausend Kilometer entfernt auf seine Rückkehr warteten. Der Gedanke wirkte wie ein heilender Sonnenaufgang auf die finstere Kälte in seinem Inneren. Er hatte vielleicht eine Familie verloren, aber wie es aussah, war er gerade dabei, Teil einer neuen zu werden. Er stutzte. Plötzlich war glasklar, was er noch zu erledigen hatte, bevor er sich mit Stamrov traf. Hieß es nicht, der Fälscher könne neben Ausweispapieren auch jedwede Art von Zulassungen und Bescheinigungen herstellen? Ohne noch eine Sekunde zu zögern, machte sich Silas auf den Rückweg zum Hotel. Wozu hatte er eigentlich eine Kopie von Constanzes Geburtsurkunde dabei, wenn er nicht vorhatte, diese auch zu benutzen?
     
    Bereits zwei Tage später hielt er die Unterlagen in der Hand. Silas musste Stamrov insgeheim ein Lob aussprechen. Besser konnte man Papiere nicht fälschen. Selbst auf den zweiten Blick sahen sie vollkommen echt aus und ließen sich von offiziellen Dokumenten in keinster Weise unterscheiden. Zufrieden packte er die Ausweispapiere in ein Geheimfach seines Koffers und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr. Höchste Zeit, zum Flughafen aufzubrechen. Er hatte noch einiges vor, ehe seine Rückreise nach Köln anstand.
     
    In den nächsten Tagen flog Silas kreuz und quer durch Europa. Fünf Länder, fünf verschiedene Flughäfen, fünf verschiedene Schließfächer mit Zahlencodes, deren Nummern er wohl nie vergessen würde. Wie auf seinen vorherigen Reisen war es auch dieses Mal kein Problem, die Fächer unbehelligt aufzusuchen. Nachdem er die jeweils zugehörigen Ausweispapiere untergebracht hatte, waren die fünf Identitäten an die neue Situation angepasst und bereit für ihren Einsatz. Bis er sich auf dem Rückflug von Paris befand, seiner letzten Station, war nahezu eine Woche vergangen. Als er schließlich sein Anwesen in Köln durch die Hintertür betrat, hatte er seit 42 Stunden nicht mehr geschlafen.
    Erschöpft, aber zufrieden, setzte er den Koffer ab. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle aufs Ohr gehauen, aber an Schlaf war vorerst nicht zu denken. Sobald er das Sicherheitssystem des Gebäudes gecheckt hatte, musste er die Prozedur seiner Verwandlung rückabwickeln. Wenigstens wurde er dadurch wieder um ungefähr vierzig Jahre jünger.

10.
    Tanz der Gefühle
     
     
     
    C onstanze blickte sich suchend im Saal um. Konzentriert versuchte sie, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Einfach war das weiß Gott nicht. Beates Vorhersage schien nicht übertrieben gewesen zu sein. Noch nie hatte sie mit ihrem Auftauchen derart viel Aufmerksamkeit erregt – nicht einmal zu Michaels Zeiten. Sie fühlte sich verdächtig an einen dieser Western-Saloons erinnert, in denen schlagartig die Musik verstummte, sobald ein Fremder das Parkett betrat. Tatsächlich hatte sie das Gefühl, jeder im Raum würde sie anstarren. Der Grund war nicht schwer zu

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