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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Lage als sehr schmerzlich empfunden haben. Falls Sie sich erinnern, waren antideutsche Gefühle schon damals verbreitet.«
    Seine Frau schaute ihn nachdenklich an. »Du hast den Streit doch mitgehört, mein Lieber, oder? Zwischen dem Professor und Reggie Stansbury. Du warst ziemlich bestürzt deswegen.«
    »Das stimmt. Ach, es scheint schon so lange her. Patriotismus kann leicht in Vorurteil umschlagen, nicht wahr? Jedenfalls war es wenige Tage vor dem Tod des Professors – ich weiß noch, dass die Gärtner mit den Blumen für den Rosenball beschäftigt waren. Ich hatte eine Abkürzung durch den Park genommen und hörte die beiden im Mauergarten miteinander streiten. Leider muss ich sagen, dass Reggie einige schlimme antideutsche Bemerkungen machte, aber er war natürlich für sein Temperament berüchtigt. So ein schwieriger junger Mann! Und Sie gehen ihn später besuchen? Bitte übermitteln Sie ihm unsere besten Wünsche. Es ist schrecklich, was ihm zugestoßen ist. Ganz, ganz schrecklich …«
    Als ich mich verabschiedete, saßen sie immer noch Hand in Hand da und sannen über die Schrecklichkeit des Krieges nach.
    Nun, da die Sonne tief über den Dächern stand, sah das Dorf zeitlos und friedlich aus. Es war mir auf eine unerwartete Weise vertraut: die Kirche, das Pub, die Häuschen, die verstreut und in seltsamen Winkeln zueinander standen. Ein einsamer Hund trabte zielstrebig die Straße entlang. Und über allem hing der einladende Geruch von Holzrauch. Manchmal muss man einen Ort verlassen, um ihn richtig zu sehen.
    Hatte es etwas zu bedeuten, dass Reggie Stansbury mit dem Professor gestritten hatte? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Damals hatte Reggie jeden angeschrien; sein jähzorniges Temperament loderte heftig und unerwartet auf. Doch war es ein weiter Schritt von wütenden Worten zu einem feigen Schlag ins Gesicht. Außerdem konnte ich Reggie selbst danach fragen, wenn ich es unbedingt wissen wollte. Bei dem Gedanken an den bevorstehenden Besuch überliefmich ein leichter Schauer, und ich zog den Mantel enger um mich.
    Wäre ich noch etwas länger im Pfarrhaus geblieben, wäre ich Anne Gregory erneut begegnet. Als ich vom Zauntritt am Rande des Dorfes noch einmal zurückblickte, sah ich sie mit einem Korb am Arm am Tor des Pfarrhauses stehen. Kaum hatte ich sie bemerkt, drehte sie sich um und schaute zu mir her, wobei sie die Augen vor der tiefstehenden Sonnen schützte. Ich kam mir ertappt vor, hob den Arm und winkte. Die Gestalt am Tor winkte zurück, und ich ging weiter, wobei sich meine Gedanken wieder der bevorstehenden Aufgabe zuwandten. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich erkannt hatte.

I ch saß am Flussufer, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es war am späten Vormittag, und die Hitze sammelte noch Kraft. Jenseits des Flusses lag das Moor, eine bunt zusammengewürfelte Palette aus Violett, Rosa und Grün. Um mich herum spielten Margots Freundinnen Picknick und kabbelten sich fröhlich über Tellern und Gläsern, während die jungen Männer einander anrempelten und sich Spiele ausdachten. Unten am Wasser balancierte Margot auf einem Felsbrocken und spritzte Julian Trevelyan nass.
    Damals wusste niemand etwas über Tom Allen, nur dass er neu im Dorf und womöglich an der alten Dunkelkammer in Hannesford interessiert war. Keiner war sich sicher, ob er überhaupt käme oder uns hier finden würde, da wir uns an einer entlegenen Biegung des Flusses versteckt hatten, in der die Bäume willkommenen Schatten boten.
    Doch er fand uns und stieg mit einem gutmütigen Lächeln über den niedrigen Zaun. Etwas an diesem Lächeln gefiel mir. Vielleicht das völlige Fehlen von Zynismus. Sein Gesicht war seltsam frei von Schatten. In den Kreisen der Stansburys galt eine gewisse Weltüberdrüssigkeit geradezu als Muss.
    Bei seiner Ankunft ging es so laut und aufgeregt zu, dass wir nur flüchtig miteinander bekannt gemacht wurden. Harry zog ihn mit sich wie ein übereifriger Schuljunge seinen neuen Welpen und bombardierte ihn mit Namen und Spitznamen – Buttercup und Daisy, Margot und Susie, Julian, Tippy, Oliver. Niemand hätte sich alle merken können. Ich kniete neben dem Picknickkorb, Servietten in den Händen, und wurde übersehen – nicht aus Bosheit oder absichtlicher Gedankenlosigkeit, sondern weil Harry einfach so war: charmant und hopplahopp und immer furchtbar ungeduldig.
    Doch der Neuankömmling hatte sein Versäumnis bemerkt, und während sich die anderen verzogen, trat er zu mir und stellte

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