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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gegeben, ob es nicht zu heiß für einen solchen Ausflug sei. Schließlich hatte er sie gedrängt, ohne ihn zu gehen, und sie hatte nach einiger Überlegung zugestimmt und dieses vertraute Lächeln gelächelt. Wo war sie gewesen, als Jimmy Everson die Trauben fing? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich hatte das verschwommene Gefühl, dass sie zum Fluss hinuntergegangen war.
    Auch Anne Gregory musste in der Nähe gewesen sein, denn sie und Harry waren am Morgen vorausgegangen, um sich zu vergewissern, dass der Champagner angemessen gekühlt war. Doch als ich die Szene heraufbeschwor – junge Leute, umgeben von Butterblumen –, konnte ich sie nicht finden. Sie hatte ein Talent dafür, sich zu verstecken.
    An den Professor hingegen konnte ich mich erinnern. Er war mit Julia Woodward am Rand der Wiese entlangspaziert und hatte sich mit ihr über Pflanzen und Blumen unterhalten. Ich erinnerte mich an seinen Ernst und ihr blasses Gesicht. Einmal kamen sie ganz nah bei mir vorbei. Der Professor hatte etwas zitiert – eine Zeile aus einem Gedicht, glaube ich – und erwartet, dass Miss Woodward die Anspielung erkennen würde, doch sie hatte angestrengt gewirkt und nicht richtig zugehört. Was sie betraf, waren Harry und Margot schlechte Gastgeber gewesen.
    Vielleicht hatte auch Professor Schmidt das gespürt, denn als wir am Ende des Tages gemeinsam nach Hause gingen, machte er eine Bemerkung, an die ich mich noch halbwegserinnere. Eine sehr unglückliche Frau oder etwas in der Art. Doch ich hatte ihm nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt gewesen, um mich um die von Julia Woodward zu kümmern.
    Ich weiß nicht, wer von uns beiden überraschter war, als ich am zweiten Weihnachtstag erneut an Mrs Woodwards Tür klopfte. Ich hatte mir ausgemalt, den Nachmittag über die Annehmlichkeiten von Hannesford Court zu genießen, mich nach der Fahrt übers Moor aufzuwärmen und vielleicht am Kamin ein gutes Buch zu lesen. Das hatte ich seit ewigen Zeiten nicht getan. Doch stattdessen brach ich kurz nach meiner Rückkehr aus Cullingford spontan auf, während die Sonne noch blassgoldene Lichtstreifen über die Landschaft warf. Mrs Woodward hatte wohl nicht mit einem zweiten Besuch von mir gerechnet. Sie betrachtete mich argwöhnisch und schob mich ins Wohnzimmer.
    Der Raum war so penibel sauber und ordentlich wie zuvor, doch diesmal schaute ich genauer hin. Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Bücher, die mir am Vortag aufgefallen waren. Eins hatte einen leuchtend grünen Einband, doch erst nach meinem Gespräch mit Neil Maclean in der Bibliothek hatte ich erkannt, was daran bemerkenswert war. Während Mrs Woodward Tee kochte, schaute ich es mir genauer an und stellte fest, dass es genauso gebunden war wie die Bücher in der Bibliothek von Hannesford. Ich schlug es auf. Gedichte von Keats, auf dem Vorsatzblatt das Wappen der Familie Stansbury. Auch links und rechts des Bandes standen romantische Dichter, für die Julia Woodward eine Vorliebe gehegt zu haben schien. Hatte sie sich das Buch ausgeliehen? Oder hatte sie wiederholt die Bibliothek der Stansburys geplündert, um ihrer Leidenschaft zu frönen?
    Ich fragte mich gerade, ob es überhaupt von Bedeutung war, als Mrs Woodward mit dem Teetablett hereinkam.
    »Von meiner Tochter«, sagte sie knapp und deutete auf das Buch in meinen Händen. »Sie hatte es mit Büchern.«
    »Es ist eine schöne Ausgabe. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich sie mir für ein oder zwei Tage ausleihe?«
    Sie zuckte nur mit den Schultern, als wären ihr sowohl die Frage als auch der Fragende gleichgültig.
    »Wie Sie möchten, Captain. Aber ich nehme an, Sie haben nicht deswegen den weiten Weg gemacht.«
    Sie reichte mir eine Tasse starken, dunklen Tee. Das Porzellan war alt und ziemlich erlesen.
    »Nein, Mrs Woodward, das bin ich auch nicht. Nachdem ich gestern nach Hause gegangen war, fiel mir ein, dass ich Sie nach Professor Schmidt fragen wollte.«
    »Dem Deutschen?«, fragte sie in scharfem Ton und schaute mich mit einer Mischung aus Überraschung und Argwohn an. »Was ist mit ihm?«
    Ich bemühte mich, unbekümmert zu wirken.
    »Ich war mit ihm befreundet und hatte irgendwie das Gefühl, dass ich ihn in den Tagen vor seinem Tod vernachlässigt habe. Das tat mir im Nachhinein leid. Dann erzählte mir jemand, er sei häufig hier zu Besuch gewesen; ich freue mich, dass er angenehme Gesellschaft hatte.«
    »Er war ein Freund von Ihnen?« In Mrs

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