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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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noch nichts als alte Gehöfte, Äcker und Weideland. Diese Vorstadt erstreckte sich vom Fuße der Bastille bis zur Porte Saint-Antoine und den daran angrenzenden Graben und lichtete sich mehr und mehr, je weiter man sich von der Stadt und ihrem Gestank entfernte.
    Almadès trat an einen verwitterten Tisch und griff nach der Fechtwaffe, die er seinen Schülern zu Übungszwecken zur Verfügung stellte. Zusammen mit dem Degen, der an seinem
Wehrgurt hing, stellte er nicht nur seine komplette Unterrichts-Ausstattung dar, sondern auch seinen gesamten Besitz. Das Übungsgerät war ein rostiges Rapier aus Eisen, zum Kämpfen eigentlich zu schwer. Almadès ließ sich auf einen Hauklotz nieder und machte sich daran, mit einem öligen Lumpen die schartige Klinge zu polieren.
    Da erklangen Schritte im Hof. Eine Gruppe Männer näherte sich ihm. Sie blieben in einigem Abstand stehen und warteten darauf, dass er ihnen Aufmerksamkeit schenkte.
    Almadès warf unter der Krempe seines Hutes einen Blick auf sie.
    Sie waren zu viert. Ein Fechtwart und drei Lehrlinge, bewaffnet mit Degen und Eisenstangen. Geschickt hatte sie ihr Fechtmeister, dessen Kampfsaal in der Nähe der Bastille lag und der es nicht dulden wollte, dass ihm der Spanier die Kundschaft streitig machte.
    Mit dem Eisenschwert auf dem Schoß blieb Almadès ungerührt sitzen, hob nur leicht den Kopf und blinzelte gegen das Sonnenlicht, das ihn blendete. Gelassen beobachtete er die vier Männer, und während er sie betrachtete, widmete er sich, ohne es selbst zu merken, einem für ihn typischen Ritual: Er drehte den stählernen Siegelring, den er an der linken Hand trug, dreimal um den Finger.
    »Monsieur Lorbois, stimmt’s?«, fragte er den Fechtwart mit leichtem Akzent.
    Der nickte und verkündete: »Mein Meister hat Euch, mein Herr, mehrfach aufgefordert, keinen Unterricht in der Fechtkunst mehr zu erteilen. Ohne Lizenz seid Ihr dazu nicht berechtigt. Aber ungeachtet aller Warnungen zeigt Ihr Euch widerspenstig. Nun schickt uns unser Meister, um sicherzustellen, dass Ihr Paris sofort und auf immer verlasst.«

    Wie fast alle Berufe war auch der des Fechtmeisters offiziell reglementiert. Die Berufsgesellschaft der Pariser Fechtschulen, die 1567 unter dem Patronat des heiligen Michael gegründet wurde, organisierte und überwachte die Einhaltung verbriefter Statuten. Nicht jeder, der wollte, konnte die Fechtkunst lehren.
    Almadès erhob sich, das Eisenrapier in der Linken. »Ich bin Fechtmeister«, erklärte er.
    »In Spanien vielleicht, aber nicht hier in Frankreich. Nicht in Paris.«
    »Die spanische Fechtkunst steht der französischen in nichts nach.«
    »Zwingt uns nicht, unserer Forderung Nachdruck zu verleihen, mein Herr. Wir sind zu viert, und Ihr seid allein.«
    »Sorgen wir also für ein gerechteres Verhältnis.«
    Vor den Augen des Fechtwarts, der den Sinn dieser Worte nicht zu begreifen schien, begab sich Almadès in die Mitte des Hofes …
    … und zog mit der rechten Hand sein stählernes Rapier blank. »Meine Herren, worauf warten Sie?«, forderte er sie auf.
    Dann ging er in Position.
    Der Fechtwart und seine Lehrlinge bildeten einen Halbkreis und gingen sogleich zum Angriff über. Auf einen Streich durchbohrte Almadès einem Lehrling die Schulter und dem zweiten den Oberschenkel. Fast gleichzeitig wich er dem Eisenstab des dritten aus und traf ihn aus der Drehbewegung heraus am Arm. Dann kreuzte er die Klingen seiner beiden Waffen und setzte sie dem Fechtwart wie eine Schere an den Hals.
    All das hatte nicht länger gedauert als ein paar Herzschläge. Die Lehrlinge waren außer Gefecht gesetzt und ihr
Fechtwart der Gnade des Spaniers ausgeliefert. Völlig verdutzt und starr vor Angst wagte er mit den Klingen an der Gurgel nicht einmal mehr zu schlucken.
    Almadès ließ ein paar Sekunden verstreichen, damit sich der Fechtwart, falls dies noch nötig war, der Situation gewahr werden konnte. »Sagt dem, der Euch schickt, dass er ein miserabler Lehrmeister sein muss, denn das, was ich hier von seiner Kunst zu sehen bekommen habe, ist regelrecht lachhaft … Und nun verschwindet von hier.«
    Gedemütigt machte sich der Fechtwart aus dem Staub. Im Schlepptau schlichen auch seine Lehrlinge davon, und derjenige, der am Schenkel blutete, musste von den beiden anderen gestützt werden.
    Der Spanier blickte ihnen nach und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Da hörte er eine Stimme hinter sich: »Gratuliere. Die Jahre scheinen Euch nichts anhaben zu

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