Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Moment, bevor das Beil des Henkers niedersaust und sich ein Sonnenstrahl in der erhobenen Klinge bricht, dessen Schimmer allen den Atem stocken lässt.
»Also gut«, willigte Malefiz schließlich ein.
Langsam streckte er die Hand mit den schmutzigen Rändern unter den Nägeln nach dem Brief aus.
Als er das Blitzen in Leprats Auge erkannte, war es schon zu spät.
Der Aufschrei ihres Anführers traf die Söldner völlig unvorbereitet: Leprat hatte das fettige Messer, mit dem er vorher sein Geflügel zerteilt hatte, durch die Hand seines Gegenübers in den Tisch gerammt. Malefiz versuchte, seine gemarterte Rechte zu befreien, und brüllte: »TÖTET IHN!«
Leprat war bereits aufgesprungen und hatte sich sein Rapier geschnappt.
Mit einem kräftigen Fußtritt schleuderte er seinen Widersachern den Tisch entgegen. Das verursachte ein noch grö ßeres Durcheinander in ihren Reihen, weil sie zur Seite springen mussten, als sie versuchten, ihre Degen zu ziehen. Malefiz, mit blutüberströmter Hand, stolperte dem Draq entgegen, der zu seinem Schutz herbeieilte. Mit dem Rücken zum verdunkelten Fenster waren Leprat alle Fluchtmöglichkeiten abgeschnitten. Aber er hatte sich zumindest genug Raum verschafft, um kämpfen zu können. Mit einem gekonnten Schlag durch die Luft streifte er das Futteral vom Degen.
Dann brachte er sich in Stellung.
Schlagartig leerten sich die umliegenden Tische. Eilig drängten die Gäste des Wirtshauses die Treppe zur oberen Etage hinauf. Schließlich wollte niemand etwas abbekommen. Aber entgehen lassen wollte man sich das Spektakel auch nicht. Nur der Wirt hatte sich in die Küche geflüchtet. Offenbar fand er wenig Gefallen an dieser Art Zerstreuung.
Etwas abseits war der Draq noch damit beschäftigt, Malefiz die blutende Hand mit dem nächstbesten Fetzen zu verbinden. Die anderen drei waren in Kampfhaltung gegangen und fingen an, ihren Gegner einzukreisen. Ohne sie aus den Augen zu lassen, ließ Chevalier d’Orgueil sie näher herankommen.
Näher.
Und immer näher.
Bis sie nur noch eine Klingenlänge von ihm entfernt waren.
Allein das hätte sie stutzig machen müssen, aber sie begriffen zu spät, was er im Schilde führte.
Ganz plötzlich riss Leprat den Vorhang vom Fenster. Das gleißende Licht drang in den finsteren Raum und schlug den Söldnern ins Gesicht. Unverzüglich ging er zum Angriff über. Das messerscharfe Elfenbein traf die Kehle eines der geblendeten Gesellen, dass das Blut nur so spritzte. Mit weit aufgerissenen Augen griff er sich an den Hals, in der Hoffnung, den roten Schwall zurückhalten zu können. Doch vergeblich. Das Blut quoll ihm auch schon aus Mund und Nase. Blitzschnell wich Leprat dem ungeschickten Angriff eines Söldners aus, der sich schützend den Arm vor die Augen hielt. Nach einem Tritt gegen sein Knie knickte dieser ein und stolperte. Mit voller Wucht schlug er mit der Stirn an das Kaminsims und sank bewusstlos in die Flammen. Sofort fingen seine Haare Feuer. Kurz darauf verbreitete sich der Geruch von verkohltem Fleisch. Da stürzte sich der dritte Söldner, dessen Augen sich bereits an das Licht gewöhnt hatten, mit gezücktem Degen von hinten auf Leprat. Der drehte sich gar nicht erst zu ihm um, sondern klemmte sich nur den Degen mit der Klinge nach hinten unter den Arm. Dann machte er
einen raschen Schritt rückwärts und setzte dabei ein Knie auf den Boden. Die elfenbeinerne Klinge schnellte hoch und durchbohrte den Angreifer. Der Mann erstarrte mit erhobenem Degen, und aus seinem Mund trat hellroter Speichel. Langsam erhob sich Leprat, drehte sich um und stieß die Klinge bis zum Anschlag in seinen Widersacher. Ungerührt blickte er dem Sterbenden in die Augen, bevor er ihn von sich wegstieß und der Tote zu Boden sank.
Seit er den Vorhang heruntergerissen hatte, war kaum eine Minute vergangen, und schon waren drei der Auftragsmörder über seine Klinge gesprungen. In ganz Paris, im Louvre und in allen Fechtsälen war er als einer der besten Kämpfer Frankreichs bekannt. Ganz offensichtlich kam sein Ruf nicht von ungefähr.
Malefiz war bereits außer Gefecht gesetzt, doch nun setzte der Draq zum Angriff an.
Chevalier d’Orgueil sah ihn. Bluttropfen sprenkelten den Boden, als er den Degen in einer raschen Bewegung durch die Luft schnellen ließ. Dann zog er mit der linken Hand blitzschnell einen Dolch aus dem Futteral an seiner Seite und nahm wieder Stellung ein. Der Draq grinste, kreuzte die Arme und zog seinerseits Säbel und Dolch
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