Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
resigniert.
»Ihr seid erschöpft«, fuhr Richelieu in freundlichem, fast fürsorglichem Ton fort. »Ruht Euch ein wenig aus, mein Freund.«
Im Kardinalspalais hatte der Kapuziner sein Zimmer direkt neben dem des Kardinals. Pater Joseph blickte zu der Tür. »Ja«, sagte er schließlich. »Ihr habt recht.«
»Und wenn es Euch hilft, Schlaf zu finden, stellt Euch einfach vor, dass es sich hier um ein Schiff handelt, das bereits die Segel gesetzt hat und das wir nicht mehr in den Hafen zurückrufen können.«
Der Kapuziner sah Richelieu fragend an.
»In diesem Augenblick«, erklärte er, »macht Rochefort La Fargue bereits mit den Details unserer Mission vertraut.«
»Dann sind die Würfel gefallen.«
3
»Danke«, sagte Marciac zu Naïs, die ihm gerade eine Flasche Wein auf den Tisch gestellt hatte. »Ihr solltet Euch nun schlafen legen.«
Die hübsche junge Frau schenkte ihm ein dankbares Lächeln, und da sie tatsächlich recht müde war, zog sie sich, begleitet von einem Blick des Gascogners, zurück.
Er und Almadès saßen nach einem köstlichen Abendessen,
das Naïs ihnen aufgetischt hatte, im großen Saal des Palais Épervier .
Die Reste ihrer Malzeit und einige leere Flaschen standen noch auf dem langen Eichentisch, um den sich die Klingen schon früher gern geschart hatten und der auch jetzt wieder zu ihrem bevorzugten Versammlungsort wurde. Zu dieser Stunde waren sie nur zu zweit, und der riesige Saal wirkte deshalb ein wenig trostlos. Das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt und spendete kaum noch Licht und Wärme. Noch knackte und knisterte es leise und führte hartnäckig einen bereits im Vorfeld verlorenen Kampf gegen die Schatten, die Stille und die Kälte der Nacht.
»Sie ist ganz reizend, diese Kleine«, ließ Marciac wie beiläufig fallen, um die Unterhaltung in Gang zu bringen.
Der Spanische Fechtmeister reagierte nicht.
»Ja, ganz reizend …«, sagte der Gascogner noch einmal.
Er bemühte sich vergeblich, lässig zu wirken, als er ein Kartenspiel aus der Tasche zog und fragte: »Spielen wir eine Partie?«
»Nein.«
»Ihr dürft auch das Spiel wählen. Oder wollt Ihr lieber würfeln?«
»Ich spiele nicht.«
»Aber jeder spielt doch manchmal!«
»Ich nicht.«
Enttäuscht sank Marciac in seinen Stuhl, dessen Lehne dabei bedrohlich knirschte. »Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr seid immer noch ein ebenso langweiliger Zeitgenosse wie früher.«
»Ich bin Fechtmeister und kein Unterhaltungskünstler.«
»Vor allem seid Ihr ein rechter Griesgram.«
Almadès trank drei kleine Schlucke Wein.
»Immer noch auf drei, was?«, zog der Gascogner ihn auf.
»Wie bitte?«
»Ach nichts.«
Seufzend erhob sich Marciac und spazierte ein wenig im Zimmer hin und her.
Marciac gehörte zu jenen Männern, deren ungenierter Charme durch ihr saloppes Erscheinungsbild noch unterstrichen wurde. Er trug einen Dreitagebart, der dunkler war als die blonden Haare.
Die Stiefel hätten ruhig einmal geputzt werden können, und die Hosen waren zerknittert. Das Wams hatte er aufgeknöpft, und den Degen trug er mit kalkulierter, aber natür licher Lässigkeit, als wolle er damit sagen: »Bilde dir bloß nichts ein, Bursche. Ich habe einen Freund an meiner Seite, auf den ich mich verlassen kann.« Aus seinen Augen blitzte die schelmische Intelligenz eines Mannes, der weder sich selbst noch die ganze menschliche Komödie besonders ernst nahm.
Almadès dagegen war die Nüchternheit in Person. Sein Haar war noch schwarz, aber der Bart bereits ergraut. Er hatte gut fünfzehn Jahre mehr auf dem Buckel als Marciac. Mit Worten und Gesten ging er äußerst sparsam um, und sein längliches, kantiges Gesicht drückte nur strenge Re serviertheit aus. Er machte eine einwandfreie Figur, obwohl sein altes Wams schon öfter gestopft worden war und an seinem Hut der Federbusch fehlte. Dafür schien die Zeit an den Spitzen, mit denen der Kragen und die Ärmel seines Hemdes geschmückt waren, nahezu spurlos vorübergegangen zu sein.
Man sah im zwar an, dass er arm war, doch seine Mittellosigkeit
tat seiner Würde keinen Abbruch: Für ihn stellte sie lediglich eine weitere Prüfung dar, der er mit stoischem Gleichmut, stolz und unerschütterlich begegnete.
Während Marciac rastlos auf und ab marschierte, saß der Spanier wie versteinert am Tisch, den Kopf gesenkt, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und drehte mit beiden Händen seinen Zinnbecher: drei Drehungen, Pause, drei Drehungen, Pause, drei Drehungen …
»Wie
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