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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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auf seinem Wachposten. Mit ausgestreckten Beinen, die Hände über dem Bauch gekreuzt und den Hut tief ins Gesicht gezogen, döste er vor sich hin. Mit der Lehne des Stuhls hatte er sich an die Wand gelehnt.
    Saint-Lucq zog einen Dolch und ging mit festem Schritt, der ihn leicht verraten konnte, auf den Mann zu. Der hörte ihn zwar kommen, hielt ihn jedoch für seinen zurückkehrenden Kumpan.
    »Und? Erleichtert?«, fragte er scherzend, ohne aufzublicken.
    »Nein.«
    Der wachhabende Rabe fuhr erschrocken hoch. Dabei rutschte ihm die Pistole vom Schoß und fiel zu Boden. In einer blitzschnellen Bewegung hielt Saint-Lucq ihm die Hand vor den Mund und rammte ihm den Dolch in die Kehle. Die Klinge durchtrennte ihm den Schädel in einem glatten Schnitt vom Kinn bis zum Gehirn. Der Bandit war sofort tot.
    Das Mischblut wischte den Dolch an der Schulter des Raben ab und ließ ihn zusammengesunken mit hängenden Armen auf dem Stuhl zurück. Er hatte sechs Pferde im Schuppen gezählt. Sechs weniger zwei – es blieben also noch vier Männer.

    Saint-Lucq näherte sich der Tür, lauschte und drückte dann vorsichtig die Klinke herunter. Drinnen waren zwei weitere noch recht verschlafene Banditen gerade dabei, ein karges Frühstück einzunehmen. Sie unterhielten sich und hatten Saint-Lucq den Rücken zugekehrt. Einer saß auf einem Fass, der andere auf einem wackeligen Schemel.
    »Der Wein ist bald aufgebraucht.«
    »Ich weiß.«
    »Auch das Brot ist bald weg. Und du wolltest ihm auch noch zu essen geben …«
    »Schon gut, schon gut … das wird sich noch heute erledigt haben.«
    »Das hast du auch schon gestern gesagt.«
    »Noch heute, glaub mir. Sie können sich nicht noch länger verspäten.«
    Das Mischblut war geräuschlos eingetreten. Im Vorbeigehen griff er sich einen Schürhaken vom Kaminsims.
    »Ich sage dir, ich verbringe keine Nacht länger in dieser Ruine hier.«
    »Du tust, was man dir befiehlt.«
    »Das werden wir ja sehen!«
    »Aber sicher. Erinnerst Du dich an Figard?«
    »Nein, nie gehört.«
    »Ja, weil er einen Befehl verweigert hat, bevor du zu uns kamst.«
    Schnell und lautlos wie ein Raubtier kam Saint-Lucq über sie. Dem einen zertrümmerte er den Schädel, bevor der des Angreifers überhaupt gewahr wurde. Der andere hatte gerade noch Zeit, aufzuspringen, bevor auch ihn der Schürhaken an der Schläfe traf.
    Zwei Sekunden. Zwei Hiebe. Zwei Tote. Kein Laut.

    Saint-Lucq wollte sich gerade des blutverschmierten Schürhakens entledigen, da hörte er die Tür in den Angeln quietschen.
    »Also, Jungs?«, rief jemand. »Seid ihr immer noch am Futtern?«
    Saint-Lucq machte sogleich eine Kehrtwendung und fuhr dabei den Arm aus.
    Der Schürhaken flog, sich surrend um die eigene Achse drehend, durch die Luft und bohrte sich zwischen die Augen des Raben, der noch ungekämmt und halb nackt eingetreten war, ohne etwas Böses zu ahnen. Er stürzte rittlings zu Boden.
    Vier plus eins machte fünf – die Rechnung ging noch nicht auf.
    Mit der Hand am Griff seines Degens betrat er das Zimmer, aus dem der fünfte Bandit gekommen war.
    Dort befanden sich behelfsmäßige Schlafstätten, und auf einer davon saß, starr vor Entsetzen, der letzte Überlebende dieses Massakers. Er war noch sehr jung, vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Über den Lippen wuchs ihm blonder Flaum, und eine schlimme Akne fraß sich durch seine Wangen. Er war aus dem Schlaf gerissen worden und schien den Blick nicht von dem Toten wenden zu können, dem der Schürhaken aus der Stirn ragte. Langsam neigte sich der eiserne Stiel des Werkzeugs zum Boden, wobei die blutige Spitze eine Knochenplatte anhob, die sich immer weiter durch die Haut bohrte. Dann knackte der Schädelknochen leise, und der Schürhaken fiel klirrend zu Boden.
    Der Knabe erschauderte und starrte nun voll Entsetzen das Mischblut mit den seltsamen Augengläsern an. Er war aschfahl geworden, und es standen ihm bereits Tränen in den Augen. Vergeblich versuchte er etwas zu sagen und wimmerte
schließlich verzweifelt und flehend um Gnade. Auf allen vieren kroch er unter der Decke hervor und zog sich in den hintersten Winkel des Zimmers zurück. Er trug nur ein Hemd und eine Hose, die er vor Schreck eingenässt hatte.
    »Er… Erbarmen …«
    Ganz langsam ging Saint-Lucq auf ihn zu und zog den Degen.
     
    Lucien Bailleux zitterte vor Angst, Kälte und Erschöpfung. Er trug nur ein Nachthemd, und der gestampfte Boden, auf dem er lag, erwies sich als ebenso kalt wie die Wand aus

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