Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
ob Castilla Gäste empfangen hat …«
»Einen einzigen. Ein sehr junger Herr, Spanier wie er. Castilla sprach ihn mit ›Chevalier‹ an, aber sie schienen sehr eng befreundet zu sein.«
»Erinnert Ihr Euch auch an seinen Namen?«
»Irgendetwas wie … Obérane … Baribane …«
»Irebàn?»
»Ja! Chevalier d’Irebàn. So hieß er … Hat er auch Schulden?«
»Ja.«
»Das wundert mich nicht. Die beiden sprachen öfter davon, zu Madame de Sovange zu gehen. Und warum sollten sie zu Madame de Sovange gehen, wenn nicht, um zu spielen?«
»Wie sieht er denn aus, dieser Castilla?«
Leprat zog die Tür etwas hinter sich zu, indem er so tat, als wolle er dahinter sehen. Dann begann er, das Zimmer gründlich zu durchkämmen.
Er hatte keine Ahnung, wonach er suchte, was dieses Unterfangen nicht gerade erleichterte. Er untersuchte die Wände, den Fußboden, schaute sich überall um, tastete die Strohdecke ab und inspizierte ihre Nähte …
Vergeblich.
Das Zimmer barg keinerlei Geheimnis. Sollte Castilla jemals irgendetwas Verräterisches besessen haben, so hatte er es mitgenommen.
Der Musketier wollte die Suche gerade aufgeben, da warf
er zufällig einen Blick auf die Straße. Was er dort sah – oder vielmehr, wen er dort erblickte -, ließ ihn erstarren.
Malefiz.
Er trug den üblichen Lederhut, seine linke Hand war verbunden, und gerade wies ihm jemand den Weg zum Gasthof. Er sah zum Fenster hinauf, blinzelte überrascht mit seinen Reptilienaugen und machte dann sofort kehrt.
»Scheiße!«, rief Leprat.
Er wusste, dass er ihn nicht mehr einholen würde, wenn er die Treppe nähme. Also öffnete er entschlossen das Fenster, fegte dabei den Nachttopf vom Sims, der krachend auf den Holzbohlen zerbarst, und sprang ohne zu zögern genau in dem Moment aus dem Fenster, als La Fargue – vom Geräusch des zerbrechenden Porzellans angelockt – das Zimmer betrat.
Leprat landete nicht weit von Almadès, der vor der Herberge wartete. Doch er hatte seine Verletzung am Oberschenkel vergessen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihn, er schrie auf und krümmte sich am Boden. Als er merkte, dass er nicht mehr aufstehen konnte, verfluchte er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht selbst. Doch dann besann er sich und bedeutete dem spanischen Fechtmeister, Malefiz zu folgen. »Da! Der mit dem Lederhut! Schnell!«
Malefiz rannte die Straße hinunter und rempelte dabei Passanten an.
Als sich Almadès daran machte, den Fliehenden zu verfolgen, hörte er noch, wie Leprat ihm hinterherrief: »Lebend! Wir brauchen ihn lebend!«
Als der Spanier die nächste Straßenkreuzung erreichte, hatte er Malefiz bereits aus den Augen verloren. Er kletterte auf einen Karren, der gerade entladen wurde, und ohne sich
um die Verwunderung zu kümmern, die er damit hervorrief, sah er sich von oben aus um. Er konnte den Lederhut gerade noch ausmachen, bevor er um eine Straßenecke bog. Also stürzte er sich wieder ins Getümmel und stieß dabei einen Gemüsestand um. Die Waren kullerten kreuz und quer über die Straße, davon ließ er sich jedoch nicht aufhalten. Alle, die ihm nicht schnell genug aus dem Weg gingen, schubste er zur Seite. Sie zeterten hinter ihm her und drohten ihm wütend mit den Fäusten. Aber schließlich gelangte er doch noch zu der Straßenecke, um die Malefiz gebogen war.
Das Gässchen dahinter war wie ausgestorben.
Almadès zog den Degen.
Als La Fargue mit gezücktem Degen aus dem Gasthaus gestürzt kam, entdeckte er Leprat, der sich vor Schmerzen am Boden wand. Er hielt sich den Oberschenkel und biss die Zähne zusammen. Passanten waren in helfender Absicht herbeigeeilt, doch als sie den Hauptmann kommen sahen, traten sie einen Schritt zurück und machten ihm Platz.
»Verflixt noch mal, Leprat! Was ist denn …«
»Malefiz!«
»Was?«
»Lederhut. Verbundene Hand. Almadès ist bereits hinter ihm her. Ich erkläre es dir später. Da lang! Schnell!«
La Fargue zog eine Pistole aus der Satteltasche seines Pferdes und stürmte davon.
Schritt für Schritt schob sich Almadès durch das stille, enge Gässchen. Der Lärm der belebten Straßen war verklungen. Er wusste, dass der, den er verfolgte, die Flucht aufgegeben hatte, sonst hätte er hier Schritte hören müssen. Der Mann
versteckte sich. Entweder, um seinem Verfolger zu entkommen, oder, um ihm irgendwo aufzulauern.
Nur Geduld …
Der Angriff erfolgte ganz plötzlich von rechts.
Malefiz war unversehens aus einem versteckten Winkel aufgetaucht und schlug
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