Wienerherz - Kriminalroman
der Zeit nach dem Fall des Ostblocks am schnellsten die Beziehungen wiederaufgenommen und waren entsprechend gut vernetzt. Deshalb wandte man sich gern an sie, weil sie die Verbindungen hatten und die Deals einfädeln konnten. Florian Dorin war einer dieser Leute. Natürlich hatte er Partner und Helfer. Soweit wir wissen, pflegte er gute Beziehungen ins Außenamt und ins Wirtschaftsministerium. Dort gibt es ein paar Beamte, die einen luxuriösen Lebenswandel finanzieren müssen, und ein paar Ex-Politiker, die ein Auskommen suchen, mit dem sie ihren Lebensstandard halten oder verbessern können. Natürlich brauchte er auch Leute in den Banken, die beim Verschieben der Gelder helfen. Denn eigentlich müssen Banken verdächtige Überweisungen bei der Antikorruptionsstelle melden. Du brauchst also in der Bank jemanden, der das nicht tut beziehungsweise weiß, wie man die Meldemechanismen umgeht oder austrickst.«
»Wie macht man denn das?«
»Frag einen eurer Wirtschaftskriminaler, der kann dir das haarklein beschreiben. Indem man einfach nichts meldet, zum Beispiel. Oder indem man die Summen stückelt, damit sie unter den meldepflichtigen Beträgen liegen. Man kann verschiedene Gesellschaften gründen und Scheingeschäfte verbuchen, für die man Bezahlungen überweisen muss. Die berühmten Bargeldkoffer sind auch beliebt. Den Möglichkeiten kreativer Geldverteilung sind kaum Grenzen gesetzt. Im wahrsten Sinn des Wortes.«
»Hat Dorin über die familieneigene Bank gearbeitet?«
»Dafür haben wir noch keine Hinweise gefunden. Ausschließen will ich es nicht.«
»Jetzt ist Dorin aber tot. Wer will euch also ans Leder?«
»Der Rest der Partie.«
»Und das wäre?«
»Relevant für dich sind letztlich nur die Österreicher. Auf die anderen hast du keinen Zugriff. Die komplette Namensliste gebe ich dir später. Die Wichtigsten auf bulgarischer Seite sind acht Personen, darunter die damalige Wirtschaftsministerin. In Frankreich sind es vermutlich sieben Personen aus dem Führungskreis beziehungsweise den Gremien des Unternehmens, also Vorstände und Aufsichtsräte. Und beim Konsortium sind es Florian Dorin und zwei Unternehmer, Hermann Kaller und Gerwald Diswanger, hinter denen vermutlich noch andere stehen, die wir aber nicht kennen. Weiters der bulgarische Oligarch, wenn man ihn so nennen will, denn eigentlich gilt er als einer der führenden Köpfe der organisierten Kriminalität in seinem Land, Aleks Barandow. Involviert sind auch ein in der Öffentlichkeit wenig bekannter österreichischer Lobbyist, Helfried Briedlach, und ein mutmaßlicher Kontakt Dorins im Außenministerium, Sektionschef Fritz Billing.«
Petzold wartete, ob Doreen dem letzten Namen etwas hinzufügte. Es kam nichts. Offensichtlich hatten sie über diesen neuen Toten noch keine Informationen.
»Und gegen wen habt ihr Beweise?«
»Es existieren Kontoauszüge, die Dorin, Diswanger und zwei der Bulgaren in Verbindung bringen.«
»Das ist alles?«
»Das ist viel. Wenn du überlegst, wie viele derartige Geschäfte gemacht werden, bei denen man nie etwas findet …«
»Vielleicht, weil es nichts zu finden gibt.«
»Genau. Und die Erde ist eine Scheibe.«
»Was hattet ihr als Nächstes vor?«
»Ganz einfach. Zu den Beteiligten gehen und ihnen erzählen, was wir wissen. Die anstehende Veröffentlichung ankündigen. Die meisten mauern und dementieren natürlich. Aber früher oder später beginnt einer zu plaudern. Sei es aus Angst, aus Eitelkeit, sei es, um das Unschuldslamm zu geben – ›oh Gott, was Sie mir da erzählen, davon habe ich ja gar nichts gewusst!‹ –, oder in der Hoffnung, mit den Behörden einen Deal aushandeln zu können.«
»Wie es scheint, wollen die Herrschaften euch aber nicht kennenlernen.«
»Würdest du auch nicht. Werden sie aber. Jetzt erst recht.«
Eins. Zwei. Drei.
Freund hatte Tognazzi erzählt, was Petzold von Doreen Niklic erfahren hatte.
»Da hätten wir bis vor nicht allzu langer Zeit wenig machen können«, erklärte sie. »Aber seit einigen Jahren ist das Bestechen ausländischer Amtsträger auch in Österreich ein Vergehen.«
»Wir besuchen ein paar dieser Herren. Hast du Lust, mitzukommen?«
»Allerdings. Ich habe zwar keine Zeit, aber dann verschiebe ich das Schlafen einfach in die Zukunft.«
So standen sie zu dritt vor der Tür von Helfried Briedlachs Büro in der Innenstadt, Freund, Petzold, Tognazzi. Briedlach residierte in einer der Gassen nahe der ehemaligen Börse.
Altbau, modern
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