Wigges Tauschrausch
rät mir, nach Kenia zu reisen, da es als potenzielles Tauschland sicher geeigneter sei – immerhin herrsche dort ein florierender Tourismus mit zahlungskräftigen Besuchern.
Ich merke, dass sich etwas in mir sträubt, mein Scheitern anzuerkennen, eigentlich möchte ich nicht so schnell aufgeben und schon wieder in ein anderes Land reisen. Wenn es aber unbedingt nötig sein sollte, über die Grenze zu gehen, dann will ich mir zumindest eine neue Herausforderung stellen – ganz so leicht will ich mir die Sache nicht machen.
Schließlich ist es der Kilimandscharo, der mich ruft. Zwischen dem Ort Arusha, in dem ich mich gerade befinde, und dem ungefähr achtzig Kilometer entfernten Kenia befindet sich nämlich der Kilimandscharo, Afrikas höchster Berg. Über diesen Berg nach Kenia einzureisen wäre ein verrücktes und sicher unvergessliches Abenteuer (das wie gesagt auch zu einem dieser Kinderträume gehört, in die ich mich beim Betrachten meines Schulatlasses hineinsteigern konnte). Darüber hinaus würde es mir das Risiko ersparen, an der Grenze zu Kenia mit den Gold- und Silbertalern Zollprobleme zu bekommen, sofern man meine Taler finden würde. Der Weg über den Kilimandscharo wärezumindest in dieser Hinsicht der einfachere: Man gehe über die Umbwe-Route bis auf unglaubliche 5895 Meter hinauf, nehme dann auf der Kuppe die alte Schmugglerroute hinunter auf die andere Seite und gehe von dort aus auf der Rongai-Route, die schnurstracks nach Kenia hineinführt – nervige Zollkontrollen entfallen.
Ein bisschen Bammel habe ich schon, dass die paar Trainingstage, die ich in einem örtlichen Fitnesscenter verbracht habe, vielleicht doch nicht ausreichen könnten. Den höchsten Berg Afrikas zu überqueren, ist kein Kinderspiel. Mit seinen 5895 Höhenmetern und dem ewigen Eis auf seiner Kuppe (und das direkt am Äquator) steckt er Europas höchsten Berg, den über tausend Meter niedrigeren Mont Blanc (4807 Meter), leicht in die Tasche. Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze (2963 Meter), passt gleich zweimal hinein, und der höchste Berg des Sauerlands, der Kahle Asten (841 Meter), verschwindet ganze sieben Mal im Kilimandscharo.
Ich denke, dass die örtliche Bevölkerung ihren Spaß daran haben könnte, dem verrückten Deutschen zum Abschied bei seinem vorbereitenden Training zuzuschauen. Also beginne ich mich auf dem gutbesuchten Früchtemarkt von Arusha, angetan mit Stirnband und Trainingskleidung, für die große Überquerung vorzubereiten. Auf dem Markt gibt es keine Stände, die Verkäufer bieten ihre Waren in Körben an, die sie teilweise einfach auf dem Kopf balancieren. Es herrscht ein wildes Durcheinander, als ich in aller Seelenruhe mein Trainingsprogramm starte: Sit-ups, Liegestütze, Trizeps-Übungen und ein wenig Jogging – das sind die bekannten Grundlagenübungen, die die afrikanischen Verkäufer und Kunden auf dem Markt ziemlich zum Schmunzeln bringen. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass der einzige Weiße weit und breit auf demschlammigen Straßenboden alberne Übungen macht. Aber erst, als ich zum großen Mango-Gewichtheben (17 Mangos in einer Schüssel) ansetze, können sich die Marktbesucher vor Lachen kaum noch halten, ich werde von allen Seiten angefeuert und erkläre jedem, der es wissen will, dass ich mich auf eine wichtige Mission vorbereite, die Überquerung des Kilimandscharos. Das Misstrauen, das bisher mir gegenüber vielleicht noch vorgeherrscht hatte, scheint sofort vergessen, sobald deutlich wird, dass dieser Weiße Humor und Selbstironie mitbringt. So vergeht ein äußerst sportlicher Nachmittag auf dem Früchtemarkt, der mir das letzte Quäntchen Fitness für die große Kilimandscharo-Überquerung bringt – hoffe ich zumindest.
Kaiser-Wilhelm-Spitze, du tust so weh!
Dann ist es so weit! In meinem Repertoire an typisch deutschen Gegenständen, die ich zwecks Kulturaustausch (der Bierkrug ist ja inzwischen in Hutt River gut untergekommen) mit mir führe, darf natürlich auch ein Wander-Outfit nicht fehlen. Das hat jetzt seine große Stunde.
Als ich mich auf den Weg mache, den Kilimandscharo zu besteigen, trage ich Lederhose, kariertes Hemd, rote Kniestrümpfe und einen bayerischen Wanderhut. Der afrikanische Lastenträger Eric lacht bei meinem Anblick sofort laut los.
»Du siehst aus wie einer der Deutschen, die vor über 130 Jahren hier ins Land kamen.«
Oje, darüber hatte ich nicht wirklich nachgedacht, zumal ich nicht die Kolonialgeschichte verherrlichen
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