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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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damit verbundenen Verlust des ›Seelenheils‹. Und sie – sie musste sich davor fürchten, dass der Mann, der einst in Walhall an ihre Seite treten würde, um mit ihr zu tanzen und zu feiern, nicht Rouwen, sondern Yngvarr war. O Freya, welch eine verzwickte Lage!
    »Also, einen Schwur zu brechen, das ist eine Sünde, ja?« Rúna rüttelte den Mönch an der Schulter, damit er sich aufrichtete. Er tat es stöhnend. Sein Gesicht war grau.
    Sie waren vor ein paar Stunden aufgebrochen, um auf dem Fluss Eye Water ins Landesinnere vorzustoßen. Ihr Vater hatte beschlossen, Ian MacCallums Angebot zu trauen. Schließlich diente ihnen Athelnas Leben als Unterpfand. Nun befanden sie sich auf dem Weg zum Treffpunkt mit MacCallums Führer. Dem Mönch bekam die Fahrt auf dem Schiff offensichtlich nicht allzu gut.
    Er blinzelte sie träge an, bevor er antwortete. »Natürlich, ma dame.«
    Rúna überlegte. In den letzten Stunden hatten ihre Gedanken immer dieselben Bahnen gedreht, wie die Himmelskörper. Sie hoffte, dass ein weiteres Gespräch mit dem Mönch ihr weiterhalf. »Sind alle Sünden gleich?«
    »Nein. Es gibt lässliche und schwere Sünden.«
    »Was ist denn eine schwere Sünde?«
    »Jemanden töten natürlich.«
    »Und eine ganz besonders schwere?«
    Ermattet schloss er die geröteten Augen. »Ehebruch zum Beispiel. Die Heilige Schrift sagt ja sogar, dass allein der Gedanke daran so schlimm ist, als hätte man es schon getan.«
    »Das ist schlimmer, als jemanden umzubringen?«, fragte sie fassungslos.
    »Habe ich das gesagt?« Alewold griff sich an den Kopf. »Mir platzt der Schädel; bitte dränge mir nicht schon wieder einen theologischen Disput auf, ma dame!« Er warf sich wieder nach vorne und beugte sich über die Bordwand.
    Ein starker Wind ließ das Schiff auf dem Wasser tanzen. Auch wenn es Rúna drängte, Antworten auf ihre Fragen zu finden, damit sich die Verwirrung in ihrem Kopf löste, beschloss sie, dem Mönch Ruhe zu gönnen. Sie wanderte auf dem Deck hin und her, wo sich die Männer mit ihren starken Armen ins Zeug legten, die Windjägerin den Fluss hinaufzubringen. Alle wirkten angespannt; jeder schien darüber nachzugrübeln, ob eine Falle auf sie wartete. Wie gewohnt stand Rúnas Vater auf der Ruderplattform, und Arien, dick in einen Umhang gehüllt, betrachtete das vorbeiziehende Land. Die Ufer waren von sumpfigen Waldstreifen gesäumt, hinter denen das saftige Frühlingsgras der Äcker und Weiden leuchtete. Dahinter erstreckten sich Hügelketten, auf deren Kämmen Nebel lag. Es war schwer zu sagen, wie hoch sie sein mochten oder wie weit entfernt. Rúna wusste nur, dass Schottland insgesamt sehr bergig sein sollte, obwohl das an der Küste bisher nicht zu sehen gewesen war. Baldvin hatte ihr erzählt, dass Wilhelm der Raue, der König Schottlands, nach einer Schlacht in englische Gefangenschaft geraten war. Er hatte den König von England als seinen Herrn anerkennen und für die Kosten der englischen Besatzer aufkommen müssen. Ein Engländer wäre bei der Bevölkerung demnach nicht wohlgelitten, aber ob das der Grund für Rouwens trübselige Miene war?
    Wohl eher nicht.
    Er saß wie die anderen am Riemen und schaute so verkniffen, als müsse er das Ruderblatt durch dicken Schlick bewegen. Die Schilde hatte man von der Reling und den Drachenkopf vom Bugsteven genommen, damit das Schiff keinen feindlichen Eindruck machte. Das gestreifte Rahsegel lag zusammengerollt an Deck, der Mast war umgelegt. Trotzdem wirkte die Windjägerin allein durch ihre schnittige Bauweise fremdartig, und hier und da konnte man einen Fischer in seinem Boot oder Frauen sehen, die am Ufer Wäsche wuschen; sie hielten in ihren Tätigkeiten inne und glotzten erstaunt.
    In früheren Zeiten wären sie schreiend davongelaufen , dachte Rúna. Ich bin zu spät geboren, in einer Zeit, in der sich alles längst vermischt hat. Früher hätte ich mir keinen Kopf um einen Mann machen müssen, dem die Sündenstrafe im Nacken sitzt.
    »Wie sieht denn das ewige Leben für einen im Kampf gefallenen englischen Ritter aus?«, stellte sie nun doch die nächste Frage. Ihr zielloses Umherstreifen hatte sie wieder an die Seite des Mönchs geführt.
    »Wer in den Himmel kommt, wird ein weißes Gewand tragen und auf ewig Gott preisen«, erwiderte er. Ein seliges Lächeln milderte die Qual in seinem Gesicht.
    »Das klingt aber nicht sehr erstrebenswert.«
    Sofort verdüsterte sich seine Miene. »Paulus sagt, dass das irdische Dasein eine Zeit des

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