Wild wie das Meer (German Edition)
Soldaten klopfen nicht an“, sprach sie. „Ich werde die Tür aufmachen.“
Doch Tillie hielt sie zurück. „Und ehrbare Leute reiten nicht zu dieser Stunde durch die Gegend.“
Ihre Freundin hatte recht. „Bleibt hinter mir im Schatten. Frank, zögere nicht, von deinem Gewehr Gebrauch zu machen, wenn klar wird, dass unsere Besucher Böses im Sinn haben.“
Erneut klopfte es laut an die Tür. Langsam und voller Angst ging Virginia die Treppe hinunter, dicht gefolgt von beiden Sklaven. Schließlich hastete sie mit pochendem Herzen zur Tür. „Einen Augenblick“, rief sie und stellte die Kerze ab. In diesem Moment spürte sie eine energische Bewegung des Kindes in ihrem Leib und hielt verblüfft inne. Doch sie hatte keine Zeit, länger darüber nachzusinnen, da die Person auf der Veranda abermals gegen die Tür schlug. Die Pistole in den Falten des Rocks verborgen, öffnete Virginia die Tür einen Spaltbreit. Ihr Zeigefinger legte sich um den Abzug.
In der Dunkelheit gewahrte sie eine männliche Gestalt, und sowie sie die Umrisse des Mannes sah, wusste sie, wer dort stand. Sie war wie gelähmt. Devlin drückte die Tür weiter auf und trat grußlos über die Schwelle. Virginia begann am ganzen Leib zu zittern. Doch trotz ihrer Angst waren Devlins kalte silbergraue Augen das Beste, was sie seit Langem gesehen hatte. „Öffnest du Fremden immer so arglos die Tür?“, fragte er.
Sie strich sich mit der Zunge über die Lippen und war einen Moment sprachlos. Flüsternd antwortete sie: „Feindliche Soldaten klopfen nicht an.“
Er schien sich mit ihrer Antwort zufriedenzugeben, legte den Kopf schief und ließ seinen Blick über ihren Bauch gleiten.
Sie wollte seine Hände ergreifen und auf ihren Bauch legen, damit er das Kind spüren könnte, aber sie rührte sich nicht.
„Wie geht es dir?“, fragte er mit weicher Stimme.
Erst da merkte sie, wie stark sie zitterte. Warum war er gekommen? Hatte er gar sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie zu sehen? „Uns geht es gut, dem Kind und mir“, antwortete sie leise. Sie war so durcheinander, dass sie kaum noch klar zu denken vermochte, aber sie spürte, wie Hoffnung in ihrem Herzen aufkeimte.
Forschend musterte er ihr Gesicht. „Cliff hat mir mitgeteilt, du seist hier. Ich hätte ihn am liebsten getötet für das, was er getan hat, bis mir aufging, dass du dir ein anderes Schiff gesucht hättest, um hierherzukommen. Stattdessen bedankte ich mich bei ihm, dass er für deine sichere Überfahrt gesorgt hat. Das ist Irrsinn, Virginia.“
Sie hatte die Arme um den Leib geschlungen, doch am liebsten hätte sie Devlin umarmt. „Ich bin hier geboren. Auch unser Kind wird hier zur Welt kommen.“
Ihre Worte schienen ihm nicht zu gefallen. „Der Krieg ist nah. Ich habe das Leben von vier treuen Männern aufs Spiel gesetzt, um dich zu dieser Stunde zu sehen“, sagte er rasch. „Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du in der nächsten Woche in Sweet Briar bleiben sollst. Und ich meine es ernst, Virginia. Verlasse diese Plantage nicht!“
Etwas Schreckliches würde geschehen, und er wusste offenbar genau, um was es ging. „Warum?“
„Ich fürchte, das kann ich dir nicht sagen, aber Sweet Briar wird verschont werden.“
Sie biss sich auf die Lippe. „Und warum ...“ Vor Aufregung hatte es ihr die Sprache verschlagen. „Warum wird mein Haus verschont werden?“
„Weil ich es angeordnet habe“, stieß er schroff hervor.
Sie nickte und war ein wenig beruhigt. Dennoch vermochte sie sich in ihrer grenzenlosen Furcht nicht über diese Aussicht zu freuen. „Geht es um Norfolk? Wird die Stadt eingenommen?“
„Du weißt, dass ich dir keine Einzelheiten verraten darf.“
Wieder nickte sie nur und schloss für einen Moment die Lider. Könnte er sie nicht wenigstens für einen kurzen Augenblick in die Arme schließen? „Eine Woche?“
„Vielleicht länger. Das hängt von dem Verlauf des Kampfes ab, den ich noch nicht einschätzen kann.“ Er musterte sie eingehend. „Du wirst merken, wenn es wieder sicher genug ist, die Plantage zu verlassen.“
Sie lehnte sich an der Wand an. Für sie stand fest, dass die Eroberung Norfolks unmittelbar bevorstand. Sie musste die Stadt warnen. Verzweiflung stieg in ihr hoch. Wenn dieser verfluchte Krieg doch schon vorüber wäre. Womöglich hätten Devlin und sie dann noch eine Chance – dennoch, sein Wunsch nach Vergeltung würde weiterhin zwischen ihnen stehen.
Er zögerte. „Virginia, ich möchte, dass du mir
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