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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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möchten, Mylord, dann könnten Sie uns vielleicht in einer anderen Droschke folgen.«
    Lucien funkelte sie haßerfüllt an. »Bitte, kommen Sie mit, Mylord«, schmeichelte Juliana. »Wenn ich allein gehe, wird Seine Gnaden erst recht böse auf mich sein. Aber wie Sie schon so richtig sagten, wird er, wenn Sie mich begleiten, seinen Zorn hinunterschlucken müssen.«
    Es funktionierte. Mit einem letzten finsteren Blick auf Juliana kletterte der Viscount auf den Kutschbock. »Zum Hofmarschallgefängnis«, knurrte er. Der Kutscher schwang seine Peitsche, und die Droschke setzte sich in Bewegung, während der Lakai auf das Trittbrett an der Rückseite sprang und sich an dem Lederriemen festklammerte.
    »Warum bist du so fest entschlossen, dein Vorhaben auszuführen, Juliana?« Lilly fächelte sich Kühlung in dem warmen Inneren der Droschke zu. Die durchdringende Schärfe ihres Blickes strafte ihren gelassenen Ausdruck Lügen. »Ich wette, es geht um mehr als nur um Lucys Not.«
    »Schon möglich«, erwiderte Juliana mit einem vagen Nicken. »Aber meine erste Sorge gilt Lucys Situation.«
    Rosamund saß schweigend in einer Ecke, den Musselinkragen ihres kurzen Umhangs bis zu den Ohren hochgeklappt, als wollte sie sich vor jemandem verstecken. Als sie sprach, klang ihre Stimme rauh und etwas verlegen. »Verzeih mir, Juliana, es geht mich ja nichts an, aber… aber ist
das
dein Ehemann, der uns begleitet?«
    »Ja, leider«, erklärte Juliana mit einem Schaudern. Nun, da sie vorübergehend von der Gegenwart des Viscounts befreit war, konnte sie ihren Abscheu nicht länger verhehlen.
    »Er ist ein kranker Mann«, sagte Rosamund zögernd. »Ich weiß nicht, ob…«
    »Einer, der von der Syphilis zerfressen ist«, diagnostizierte Lilly nüchtern. »Du brauchst wirklich nicht um den heißen Brei herumzureden, Rosamund. Wir alle kennen die Anzeichen. Bist du in seinem Bett gewesen, Juliana?«
    Juliana schüttelte den Kopf. »Nein, und das muß ich auch nicht. Es ist nicht Teil des Arrangements.«
    »Gott, was für eine Erleichterung!« Emma seufzte und entspannte sich wieder. »Ich wußte nicht, was ich sagen sollte… wie dich warnen…«
    »Dazu besteht keine Notwendigkeit. Ich bin rechtzeitig aufgeklärt worden«, erwiderte Juliana und blickte zum Fenster hinaus, um ihren Gesichtsausdruck vor ihren Gefährtinnen zu verbergen. »Und es besteht keine Gefahr für mich… zumindest nicht in dieser Hinsicht«, fügte sie mit leiser Stimme hinzu.
    »Hoffentlich fangen wir uns nicht irgendwas Ansteckendes im Hofmarschallgefängnis ein«, murmelte Rosamund. »An solchen Orten gehen alle möglichen Krankheiten und Seuchen um. Es genügt schon, die bloße Luft einzuatmen, um sich zu infizieren.«
    »Dann könnt ihr ja in der Kutsche bleiben«, sagte Juliana. »Der Viscount und ich werden hineingehen und Lucys Freilassung bewirken.«
    »Ich komme ganz bestimmt mit«, erklärte Lilly stoisch. »Du kennst Lucy nicht. Sie wird dir wahrscheinlich nicht trauen.«
    »Nein, die Ärmste hat so schrecklich viel mitgemacht«, bekräftigte Emma mit einem Seufzer. »Sie wird überhaupt nicht mehr wissen, auf wen sie noch hören soll.«
    In dem Moment kam die Droschke quietschend auf dem holprigen Straßenpflaster zum Stehen, und die Insassen fanden sich vor einem Gebäude wieder, das von einer furchterregend hohen Mauer umgeben war. Große Eisentore standen zur Straße hin offen, und zerlumpte Gestalten schlurften hindurch, in eine Aura verzweifelter Hoffnungslosigkeit gehüllt.
    »Wer sind diese Leute?« Juliana blickte hinaus, als der Kutscher den Schlag aufriß.
    »Schuldner«, sagte Lilly, während sie ihre Röcke raffte und auf das Pflaster sprang.
    »Aber sie sind nicht eingekerkert.«
    »Nein, sie haben Hafturlaub vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, damit sie betteln gehen können – oder arbeiten, falls sie etwas finden«, erklärte Emma, als sie Juliana aus der Kutsche folgte. »Und sie dürfen Besuch empfangen, der ihnen etwas zu essen bringt – wenn sie Glück haben. Dort drinnen sind ganze Familien inhaftiert. Babys, kleine Kinder, alte Männer und Frauen.«
    Lucien kletterte vom Kutschbock, ein Unterfangen, das ihn sichtliche Anstrengung kostete. Er stand einen Moment lang da und lehnte sich erschöpft gegen die Kutsche, während sein Atem pfeifend ging und sich Schweißtropfen auf seiner bleichen Stirn bildeten. »Ich muß verrückt sein, mich für ein solch schwachsinniges Vorhaben herzugeben«, murmelte er vor sich hin, als

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