Wilde Flammen
sollte der Circus Colossus in der kleinen Stadt in Tennessee bleiben. Die Erlaubnis der Gemeinde war lange im Voraus eingeholt worden, und auch die Feuerwerkskörper lagerten längst in einer Halle. Seit Jahren hatte sich nichts am Ablauf der Planung geändert. Der 4. Juli war schon immer der gewinnbringendste Tag im ganzen Jahr gewesen.
Jo hatte beschlossen, sich die Feierlichkeiten durch nichts verderben zu lassen. Nein, auch Keanes Distanziertheit würde den Höhepunkt des Sommers nicht für sie trüben. Grübeln und schlechte Laune änderten schlieÃlich nichts an den Tatsachen. AuÃerdem war es praktisch unmöglich, bei so vielen lachenden und unbeschwerten Gesichtern schlechte Laune zu haben.
Zwischen den Vorstellungen ebbte die aufgekratzte Atmosphäre ein wenig ab. Manche der Artisten hatten sich vor den Wohnwagen zu einem Plausch in der Sonne versammelt, andere nutzten die Pause, um noch an ihrem Programm zu arbeiten. Ein paar Helfer spritzten die Elefanten ab, und das Wasser lief in breiten Rinnsalen über den Platz.
Jo schaute dem Elefantenbad immer gern zu. Manchmal waren unter den Helfern ein oder zwei Neulinge, die von Maggie oder einem der anderen Tiere überraschend eine Dusche erhielten. Natürlich wussten die Tierpfleger, was den Helfern drohte. Aber es gelang ihnen stets, völlig unschuldig dreinzuschauen.
In einiger Entfernung sah Jo Duffy vorbeilaufen. Sie sprang von der Eingrenzung des Elefantenareals und ging auf ihn zu. Er war in ein angeregtes Gespräch mit einem Städter vertieft. Der Mann war genauso klein wie Duffy, aber wesentlich ausladender. Er hatte das, was Frank immer eine »Wohlstandsfigur« genannt hatte. Sein Bauch begann direkt am Brustbein und wölbte sich beeindruckend vor. Er sah leicht ungepflegt aus und kniff die blassen Augen gegen die Sonne zusammen.
Jo kannte diese Art von Mann. Auf ihren vielen Reisen war sie immer wieder derartigen Typen begegnet. Sie fragte sich nur, was dieser hier wohl wollte. Und für wie viel. So ärgerlich, wie Duffy jetzt schnaubte, musste es sehr viel sein.
»Ich sagte doch schon, Carlson, die Hallenmiete ist bereits bezahlt. Ich kann Ihnen die Quittung zeigen. Und für die Lieferung sind fünfzehn Dollar vereinbart, nicht zwanzig.«
Carlson warf den Stummel seiner filterlosen Zigarette auf den Boden und trat mit dem Absatz darauf. »Das haben Sie mit Myers abgemacht, nicht mit mir. Ich habe die Halle vor sechs Wochen gekauft.« Er zuckte ungerührt die Schultern. »Ich kann schlieÃlich nichts dafür, wenn Sie im Voraus zahlen.«
Von der anderen Seite des Platzes näherte sich Keane, zusammen mit Pete. Während Jo die beiden beobachtete, sah Keane auf und schaute zu Carlson hinüber. Jo kannte diesen Blick â der andere Mann war soeben genau taxiert worden.
Keane lächelte ihr freundlich zu und wollte an ihr vorübergehen. Doch ihre Neugierde lieà Jo keine Ruhe. »Was ist denn da los?«, fragte sie.
»Finden wir es heraus.«
Sie waren bei Duffy und Carlson angekommen. »Gentlemen«, grüÃte Keane lässig. »Gibt es ein Problem?«
»Dieser Mensch«, Duffys Stimme überschlug sich fast vor Ãrger, während er mit dem Daumen auf Carlson zeigte, »verlangt den doppelten Preis für die Hallenmiete. Und er will zwanzig Dollar für die Lieferung der Feuerwerkskörper anstatt der vereinbarten fünfzehn.«
»Myers hat fünfzehn verlangt«, betonte Carlson. »Mit mir war gar nichts vereinbart. Wenn Sie Ihr Feuerwerk haben wollen, dann müssen Sie mich bezahlen â in bar.« Er sah zu Keane. »Wer ist das?«
Duffy schnaubte empört, doch da legte Keane ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Ich bin Keane Prescott«, sagte er freundlich. »Wollen Sie mir nicht sagen, um was es geht?«
»Prescott also, was?« Carlson rieb sich das Doppelkinn und begutachtete sein Gegenüber. Jung und harmlos, lautete sein Urteil. Mit dem würde er schon zurechtkommen.
»Na, sicherlich können wir die Sache regeln«, meinte Carlson jovial und streckte die Hand aus, in die Keane ohne zu zögern einschlug. Es wurde ein sehr fester Handschlag. »Toller Zirkus, den Sie da haben, Prescott. Meine Frau und ich sehen uns jedes Jahr die Vorstellung an. Also â¦Â« Er zog sich erst einmal die Hose zurecht. »Sie sind ja auch ein Geschäftsmann. Da werden wir uns schon einigen,
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