Wilde Rose der Prärie
ihm noch von Rafe war etwas zu sehen. John und der Captain hatten inzwischen aufgegessen und tranken genüsslich einen Kaffee, Tillie war nach draußen gegangen, um Sorrowful die versprochenen Reste zu bringen. „Nun, dann gute Nacht", sagte Lorelei etwas unschlüssig. „Und vielen Dank für alles, Heddy."
Sie nickte ihr nur zu.
Lorelei musste sich die Treppe in den ersten Stock hinaufschleppen, so hundemüde war sie.
Sie beschloss, nicht weiter über Holt nachzudenken. Es sollte nicht ihre Sorge sein, wenn er das Abendessen verpasste und die halbe Nacht wegblieb. Sie wusste ohnehin nicht, ob er überhaupt vorgehabt hatte, bei Heddy ein Zimmer zu nehmen. Leise betrat sie ihr Zimmer und sah, dass Melina den Teller mit dem Rest vom Abendessen auf den Nachttisch gestellt hatte und längst fest schlief. Lorelei seufzte leise und setzte sich auf den Stuhl, um ihre Schuhe auszuziehen. Nein, sagte sie sich, es interessierte sie nicht im Mindesten, was Holt McKettrick in seiner Freizeit tat. Sollte er sich doch betrinken. Sollte er sich doch mit Komantschen anlegen. Sollte er die Nacht doch mit einem leichten Mädchen verbringen. Fast alles davon war ihr völlig egal.
28. Kapitel
Wenn man seinem Ruf Glauben schenken durfte, war R. S. Beauregard der beste Anwalt in ganz Texas. Die Tatsache jedoch, dass Holt die Spur des Mannes durch drei Saloons und ein Bordell verfolgen musste, bis er ihn in einem privaten Speisesalon im Republic of Texas Hotel ausfindig machte - wo er mit zwei halbnackten Frauen zu Abend aß -, ließ ihn an Beauregards Fähigkeiten als Anwalt zweifeln. „Gentlemen", begrüßte er sie mit einem freundlichen Lächeln und hob sein Weinglas zum belustigten Salut. „Ich glaube nicht, dass Sie sich angemeldet hatten." Auf dem Tisch vor ihm drängten sich so viele feine Porzellanteller mit Speisen und Kristallgläser, dass keine freie Stelle mehr zu entdecken war. Holt bemerkte, wie sich Rafe neben ihm versteifte, und ahnte, dass er etwas sagen wollte, was er besser für sich behielt. Um ihn vom Reden abzuhalten, versetzte er ihm mit dem Ellbogen einen Stoß in die Seite. Wenn es eine Sache gab, von der Holt mehr als genug hatte, dann war es Selbstbewusstsein, doch als er in der Tür zu diesem Salon mit den Orientteppichen, den Samtvorhängen und den Gaslampen stand, da wurde ihm mit einem Mal deutlich bewusst, dass er verschmutzte Kleidung und abgewetzte Stiefel trug.
Die Frauen, die dicke schwarze Lidstriche aufgelegt hatten, musterten ihn und Rafe mit eindeutigen Blicken. Ein kräftiger Ruck an ihren Miedern, und für die Fantasie blieb nicht mehr viel übrig. Beide lächelten sie, als hätten sie seine Gedanken gelesen und als durchaus angenehm empfunden.
„Entschuldigung Sie, dass wir Sie beim Abendessen stören", sagte Holt, der es recht sonderbar fand, dass jemand um elf Uhr am Abend noch diese Mahlzeit zu sich nahm. In ein paar Stunden war es bereits wieder Zeit, um aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. „Mein Name ist Holt McKettrick, dies ist mein Bruder Rafe." Er hielt kurz inne. „Wir müssen mit Ihnen etwas Geschäftliches besprechen." Beauregard konnte nicht älter als fünfunddreißig sein, und sicher würden die meisten Frauen ihn als gut aussehend beschreiben, wenn auch auf eine wüste Art. Aber seine Augen wirkten so, als seien sie die eines viel älteren Mannes. Sein Bart war ungepflegt, seine durchaus teure Kleidung zerknittert und fleckig, und seine Haare hätten ein ganzes Stück kürzer sein dürfen.
„Wie es scheint, handelt es sich um eine Angelegenheit von gewisser Dringlichkeit." Er tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und schob seinen Stuhl zurück. Als er aufstehen wollte, begann er zu schwanken und setzte sich wieder hin, wobei er verlegen grinste. „Wenn Sie mein Büro in der Travis Street aufgesucht hätten, wüssten Sie, dass ich feste Öffnungszeiten habe. Von zehn Uhr morgens bis um fünf am Nachmittag. Natürlich nur dann, wenn ich nicht bei Gericht bin."
Rafe trat gereizt von einem Fuß auf den anderen, da er nun eindeutig etwas anmerken wollte, aber Holt stieß ihn abermals mit dem Ellbogen an.
„Wie Sie selbst sagten", gab Holt ruhig zurück, „es ist eilig."
Der Anwalt ließ einen verschmitzten Blick über die beiden Besucher wandern und schien Rafes mühsam unterdrückte Verärgerung zu bemerken, die ihn offenbar amüsierte. „Ich bin teuer", warnte Beauregard.
„Ich bin reich", konterte Holt, der sich nun ebenfalls zurückhalten
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