Wilde Rose der Prärie
der Männer sahen ihnen nach, vor allem Rafe und der Captain, aber niemand sonst schien sich für sie zu interessieren.
Lorelei wunderte sich, warum sich nicht alles in ihr gegen diese Frage sträubte. Vielleicht lag es daran, dass sie zu müde und zu verängstigt war. Ihr war jetzt klar, dass sie bei Heddy in Laredo hätte bleiben sollen, allein schon aus dem Grund, dass Melina dann auch dort geblieben wäre. Doch es war zu spät, sich anders zu entscheiden, und es war Holt, mit dem sie sich unterhielt, sodass sie beschloss, dieses Eingeständnis für sich zu behalten. „Sie starb, als ich noch sehr jung war." Einem Reflex folgend, suchte Holt den Horizont nach einer drohenden Gefahr ab, obwohl der in der zunehmenden Dämmerung kaum noch zu erkennen war. „So wie meine Mutter", sagte er leise. „Ich wünschte, ich könnte mich an sie erinnern." Beim Gehen berührten sich ihre Handrücken, woraufhin sie schnell die Arme vor der Brust verschränkte, damit es nicht noch einmal vorkommen konnte. „Das tut mir leid", entgegnete sie leise und meinte es ehrlich. Sie wusste, wie schwer es war, ohne Mutter aufzuwachsen, und sie wusste, welche Lücke dadurch im Leben klaffte. Als Kind war es besonders schlimm gewesen, wenn der Abend dämmerte und die Frauen in der Nachbarschaft ihre Familien zum Abendessen riefen. Angelina hatte ihr Bestes versucht, um in jenen schwierigen Jahren die Lücke zu füllen, doch es war einfach nicht das Gleiche gewesen.
Abrupt blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. Die Frage, die er ihr dann stellte, war so direkt, dass ihr der Atem stockte. „Möchten Sie Kinder haben, Lorelei?" Einen Moment lang fühlte sie sich so traurig wie damals, wenn sie abends vor dem Haus ihres Vaters im Garten stand und die Stimmen der Mütter anderer Kinder hörte. Wie sehr hatte sie sich da gewünscht, jemand würde ihren Namen rufen. „Ich glaube, es ist zu spät", antwortete sie, wobei ihr die Worte im Hals stecken blieben.
„Zu spät?", wiederholte er überrascht.
Sie zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden. „Als ich an jenem Tag das Hochzeitskleid in Brand steckte", fuhr sie fort und versuchte vergeblich zu lächeln, „da war das zugleich ein Schlussstrich. Vermutlich werde ich nie wieder die Chance bekommen."
Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Unglauben zu einer beunruhigenden Skepsis. „Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Sie sind noch jung, Lorelei. Irgendein Mann wird Sie zur Frau nehmen wollen."
Plötzliche Wut flammte in ihr auf, wurde aber gleich wieder erstickt von einem Gefühl der Mutlosigkeit, das sie zu überwältigen drohte. „Doch", antwortete sie geradeheraus. „Das glaube ich wirklich. Die meisten Frauen sind mit zwanzig verheiratet, und ich werde nächsten Dezember dreißig. Und was irgendeinen Mann' angeht, der mir den großen Gefallen erweist, mich zuwollen..."
„Ach, verdammt", unterbrach Holt sie ungehalten. „Jetzt fangen Sie schon wieder damit an, mir das Wort im Mund herumzudrehen ..." Er hatte seinen Hut bislang in der Hand gehalten, nun aber schlug er ihn sich in einer aufgebrachten Geste auf den Oberschenkel und setzte ihn auf. „Was, wenn es sich um eine geschäftliche Vereinbarung handeln würde?"
Sie riss fassungslos den Mund auf, aber sie wurde auch neugierig. „Eine geschäftliche Vereinbarung? Also das müssen Sie mir wirklich erklären, Mr. McKettrick."
Seine Miene verhärtete sich sichtlich. „Ich hätte nichts gegen eine Ehefrau und noch ein paar Kinder", gestand er nach einem Augenblick angespannten Schweigens. Sie hätte schwören können, dass er erst den nötigen Mut hatte fassen müssen, aber vor ihr stand Holt, und der besaß zweifellos einen Überschuss an Mut. „Lizzie ist fast dreizehn. Ehe ich mich versehe, wird sie erwachsen sein und heiraten oder eine Schule besuchen wollen. Ich fühle mich bereits jetzt einsam, wenn ich nur daran denke."
Lorelei war verblüfft. Holt McKettrick gestand ihr eine menschliche Schwäche ein? „Ich bin mir sicher, es gibt etliche Frauen, die Sie heiraten möchten", sagte sie und schwankte ein wenig.
„Ich will eine Frau mit Elan", erwiderte er. „Mit Mumm."
Es kam ihr vor, als sei sie in eine Strömung geraten, die sie mit atemberaubender Geschwindigkeit mit sich riss - und irgendwo vor ihr lauerte ein Wasserfall auf sie. „Diese Frau, die Sie am Altar stehenließen", platzte sie heraus und schlang die Arme enger um sich, „hatte sie nicht genug Elan für Sie?"
Als erste Reaktion kam ein
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