Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
geschwächt, und nun, da sie losgelassen, war seine Wut nicht mehr aufzuhalten.
Während er sich bemühte zu verstehen, bemerkte er plötzlich, daß Juliet weinte, während sie nach den verstreuten Kleidungsstücken griff. Dir Kummer war um so ergreifender, da er in vollkommener Stille zu Tage trat.
Der Schmerz in ihm verringerte sich nicht, aber er veränderte sich, und so auch seine Wut. Er verfluchte sich innerlich. Er spürte, daß sie sich emotional von ihm entfernte, und er wußte, daß sie bald unwiderruflich fort sein würde. Der Gedanke war unerträglich.
Für eine Sekunde wünschte er sich, sie zu verwunden, sie leiden zu lassen, wie er gelitten hatte, aber damit hätte er sich vor allem selbst Schaden zugefügt, denn er konnte den Anblick ihrer Qual nicht aushalten, egal, wie sehr sie seinen Zorn verdient haben mochte. Mit vor Gefühl heiserer Stimme sagte er: »Juliet, es tut mir leid. Ich hätte dich nicht verletzen sollen.«
»Mir tut es auch leid ... alles. Ich muß verrückt gewesen sein, zu glauben, daß die Vergangenheit überwunden werden kann. Kannst du dich noch an das Gedicht von Omar Khayyam erinnern?« Sie sah zu ihm hoch, eine letzte Träne löste sich von ihren Wimpern. »Der Finger bewegt sich, schreibt, hat geschrieben und bewegt sich weiter. Und all deine Frömmigkeit, all dein Verstand, kann ihn nicht dazu bringen, nur eine halbe Zeüe zu löschen, noch werden deine Tränen ein einziges Wort fortwaschen,« Sie schloß die Augen, ihr Gesicht verzerrt vor Qual. »Letzte Nacht wollte ich dir das einzige Geschenk machen, daß in meiner Macht lag. Statt dessen habe ich dich unverzeihlich verletzt - und das nicht zum ersten Mal.«
Rasch durchquerte er den Raum und kniete sich neben sie. Die Messerwunde, die er mit rotglühendem Stahl ausgebrannt hatte, war nur noch eine stumpfe, fast abgeheilte Linie um ihren Oberarm herum. Es war eine Erinnerung daran, daß es nirgendwo auf der Welt jemand wie Juliet gab. Er wählte seine Worte mit Bedacht, als er sagte: »Ich kann nicht behaupten, daß die Vergangenheit nicht zählt, denn sie tut es, und zwar enorm. Aber das war damals. Und nun ist heute.«
»Die Vergangenheit ist heute, denn wir sind, was unsere Taten aus uns gemacht haben. Die letzte Nacht war ein Fehler, denn ich glaube nicht, daß wir das Vergnügen ohne den Schmerz bekommen können.« Von ihrer Schuld verzehrt, war Juliet nicht in der Lage, seinem Blick zu begegnen. Es lag unerträgliche Ironie in der Tatsache, daß Ross ihr tatsächlich quer durch Europa gefolgt war und Malta ausgerechnet in dieser schicksalsträchtigen Nacht erreicht hatte.
Wenn er ein paar Stunden eher angekommen wäre, hätte sie ihn mit offenen Armen begrüßt; ihre Ehe hätte überleben, vielleicht sogar stärker werden können. Doch zu dem Zeitpunkt, da er das Hotel Bianca betreten hatte, war es bereits zu spät gewesen.
Ross nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Nein! Die letzte Nacht war kein Fehler. Du hattest recht: Es wäre eine Sünde gewesen, die wenige Zeit zu verschwenden, die uns bleibt.« Mit einem schwachen Lächeln zitierte er ein anderes persisches Gedicht: >»Mach das Beste aus dem, was wir noch haben mögen, bevor auch wir in den Staub zurücksteigen.< Zieh dich nicht noch einmal vor mir zurück, Juliet. Ich brauche dich so sehr.«
Es war unmöglich, diese Bitte abzulehnen, vor allem, da ihr eigenes Bedürfnis nach ihm so stark war. Sie beugte sich vor, um ihn zu küssen, und ihr Mund war gierig und verlangend. Mit einer einzigen kraftvollen Bewegung zog er sie an sich. Sie knieten beide voreinander, und ihr Gewand verfing sich zwischen ihnen, aber ohne darauf zu achten, strichen seine Hände rastlos über ihre nackte Haut.
Das Gewand rutschte weg, als er sie auf den Teppich drückte -dann lag er neben ihr. Ihre Körper verschlangen sich ineinander, als würden sie nur als ein Ganzes vollständig sein. Schmerz und Zorn wandelten sich zu unendlicher Leidenschaft, und sie kamen zusammen, als hätte es ihr früheres zärtliches Liebesspiel niemals gegeben, als könnte die Lust wie eine Droge wirken, die auslöschte, was nicht auszulöschen war.
Ross liebte Juliet mit der gleichen gefährlichen Ungezähmtheit, die sie in ihm nach dem Buskaschi entdeckt hatte. Es war ein rein männlicher Akt der Unterwerfung, aber es war auch ein Liebesspiel, das in heftig pulsierenden Gefühlen wurzelte. Ihre Reaktion kam direkt aus dem Herzen, als sie versuchte, mit ihrem Körper auszudrücken, was in
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