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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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manisch-depressives Stehaufmännchen wieder aufrichtete. »Hier ist etwas, das Euch passen könnte. Am besten probieren wir es gleich mal an.«
    Die Kindfrau zerrte mehrere Meter brokatbestickten Damast aus der Truhe, schleppte sie durch das Zimmer und drehte sogar noch eine elegante Pirouette vor Tabitha. Ehe diese protestieren konnte, hatte das Mädchen sie schon auf die Füße gezogen, und das ärmellose Hemd, das sie nach ihrem Bad hatte anziehen müssen, verschwand unter dem Fundstück ihrer großzügigen Gastgeberin.
    Die elegante Smokarbeit, die an den Schultern zu eng, um die Brust jedoch zu weit war, ging ihr bis kurz über die Knie.
    »Ich glaube, man sieht noch mein Hemd.«
    »Oh, das passt überhaupt nicht!« Lyssandras enttäuschtes Gesicht war der einzige Spiegel, den Tabitha brauchte, um zu wissen, dass sie aussah wie eine Giraffe in einem Ballettröckchen. Die Miene des Fräuleins zeigte solche Bestürzung, dass Tabitha sich beinahe bei ihr für ihre Größe und Plumpheit entschuldigt hätte.

    Dann jedoch blitzten die mandelförmigen Augen des Mädchens erfreut auf. »Eine Hoffnung besteht noch. Es ist längst nicht alles verloren! Ich habe genau die richtige Idee.«
    Als Colins Verlobte aus dem Zimmer schoss, sank Tabitha wie erschlagen auf den Hocker zurück. Da ihr Lucy fehlte, streckte sie die Hand liebkosend nach dem Terrier aus, der jedoch die schiefen Zähne bleckte und sie drohend anknurrte.
    Tabitha und das übellaunige kleine Biest starrten einander immer noch feindselig an, als Lyssandra, ein schimmerndes, leuchtend blaues Seidengewand über dem Arm, wieder auf der Schwelle stand.
    Sie strich über den teuren Stoff, als wäre er aus Mondstrahlen und Spinnweben hergestellt. »Das Kleid hat meiner Mutter gehört. Sie starb, als ich fünf war - aber trotzdem erinnere ich mich noch genau an ihre gertenschlanke und elegante Gestalt.« Lyssandra lächelte Tabitha zärtlich an. »Genau wie Eure!«
    Colins ›Cousine‹ sprang von ihrem Hocker und stolperte demonstrativ einen Schritt zurück. »Oh, nein, das kann ich unmöglich annehmen. Ich bin ein schrecklich ungeschickter Mensch. Wahrscheinlich würde ich mit dem Absatz im Saum hängen bleiben oder Traubensaft darüber schütten.« Sie hob entschuldigend die Hände und spürte, wie das Kleid, das sie augenblicklich trug, mit einem leisen Stöhnen riss. »Sehen Sie! Genau das habe ich gemeint.«
    »Puh«, antwortete Lyssandra nur. »Der alte Lumpen hat mir nichts weiter bedeutet.« Wie um es zu beweisen, riss sie Tabitha praktisch das Hemd vom Leib, ehe sie die Wolke reiner Seide über ihre Schultern breitete.
    Während Lyssandra das Kleid ihrer Mutter vorsichtig zurechtzupfte, stieß Tabitha einen resignierten Seufzer aus.
Wie konnte man sich gegen jemanden zur Wehr setzen, der so ein Wort wie »Puh« benutzte? Außerdem musste sie, als sie vorsichtig an sich herunterblickte, zugeben, dass das Kleid ihr passte wie eine Maßanfertigung von Christian Dior.
    Lyssandra drapierte einen breiten goldenen Gürtel um ihre Hüften und drückte sie sanft auf den Hocker zurück. Tabitha ließ - letztendlich der Kraft zur Gegenwehr beraubt - alles willenlos mit sich geschehen.
    Einen Kamm aus Elfenbein gleich einem Zepter in der Hand, stellte das gnädige Fräulein geheimnisvolle Dinge an mit Tabithas Haar.
    »Sind sechs Jahre nicht eine ziemlich lange Verlobungszeit?«, fragte Tabitha sie in möglichst beiläufigem Ton.
    »Das sollte man meinen.« Der wehmütige Seufzer des Mädchens ging in leises Kichern über. »Aber Colin und ich sind eigentlich seit nunmehr beinahe dreizehn Jahren verlobt - seit ich fünf war und er elf.«
    Tabitha wusste nicht, ob sie diese Mitteilung als ermutigend oder als grauenhaft empfand. »Dann muss es ja wohl Liebe auf den ersten Blick gewesen sein.«
    Lyssandra wickelte eine Strähne von Tabithas widerspenstigen Haaren um einen ihrer Finger und nickte mit dem Kopf. »Ich werde nie vergessen, wie ich ihn zum ersten Mal gesehen habe«, bestätigte sie. »Er kam mit zehn Jahren als Knappe an Papas Hof. Mit seinen blitzenden Augen und den dunklen Locken war er der hübscheste Junge, den man sich vorstellen kann.«
    Tabitha fuhr zusammen. Das Mädchen betete Colin genauso an wie sie.
    »Schon damals war Colin immer sanft und geduldig mit mir.« Lyssandra rümpfte ihre Stupsnase, wodurch sie allerdings
noch hübscher wurde als zuvor. »Ganz anders als dieser widerliche Normanne.«
    Tabitha lachte überrascht. »Sir

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