Wilder Als Ein Traum
Knöchel wurden weiß vor Anspannung, als er den Griff des goldenen Kelches umklammerte, den er mit seiner Verlobten teilte, und den er zur Feier seiner bevorstehenden Hochzeit zu einem Toast nach dem anderen heben musste.
Ein runzliger Alter reckte ihm seinen Becher entgegen: »Ich wünsche dem Herren Manneskraft im Ehebett.«
»Ebenso wie außerhalb«, krächzte einer der zahllosen Knappen, die an der hinteren Wand lehnten, und dessen Stimme verdächtig nach Chauncey klang. Einige der Anwesenden brachen in herzhaftes Gelächter aus, während Lyssandra vor Verlegenheit errötete.
Colin bedachte Tabitha mit einem schmerzerfüllten Blick; aber ohne auf ihn zu achten, pickte sie sorgsam die Mandeln aus dem vor ihr stehenden Pudding.
Ein segelohriger Lord erhob sich von seinem Platz, wobei ein Teil seines Biers über den Rand schwappte. »Gott segne Euch mit einer ganzen Rasselbande von Gören, die Euch die Wangen küssen und an den Ohren ziehen.«
» Seine Gören scheinen nicht gewusst zu haben, wann sie wieder loslassen sollten«, murmelte Arjon und schob sich einen weiteren Löffel Pudding in den Mund.
Tabitha sah genervt zu ihrem Nebenmann hinüber. Nachdem die Ehrengäste ihre Plätze eingenommen hatten, hatte man sie und Arjon an den Tisch unmittelbar vor dem Podium gedrängt, nah genug, um sich in Colins und Lyssandras strahlendem Licht zu sonnen - aber ohne einen Schatten auf das junge Paar zu werfen. Der Mann, den Arjon als Brisbanes Botschafter identifiziert hatte, saß unmittelbar neben MacDuff und verfolgte mit säuerlicher Miene das Geschehen.
Ein älterer Ritter erhob sich von seiner Bank. Sein langer Schnurrbart verlieh ihm einen würdevollen Ernst. »Auf Sir Colin«, sagte er. »Einen Ritter, der sich dem Dienst an Gott und König gewidmet hat! Sein Betragen sowohl auf dem Schlachtfeld als auch außerhalb war der Inbegriff von Tapferkeit, Edelmut, Gerechtigkeit und …«
»Treue!« Ehe Tabitha wusste, was sie tat, hatte sie sich auch schon erhoben. Sich der plötzlichen Stille und Arjons amüsiertem Grinsen deutlich bewusst, hob sie ihren Kelch und lächelte Colin freundlich an, der aussah, als ersticke er an seinem Bier. »Auf Sir Colin, das Vorbild christlicher Tugenden!«
Unter donnerndem Applaus sank sie auf ihren Platz zurück. Bei einem der Bankette ihres Vaters wäre sie viel zu schüchtern gewesen, um jemals einen Toast auszusprechen; aber nun, da sie nichts mehr zu verlieren hatte, wurde sie unerwartet kühn.
MacDuff nickte zustimmend. »Das habt Ihr sehr schön
gesagt, Mylady! Eure Eloquenz ehrt sowohl Euch als auch Euren Cousin.«
Colin kniff die Augen zusammen, und genau diese Andeutung eines Stirnrunzelns rief in Tabitha eine Spur von Hoffnung wach. Ehe sie jedoch ihren Triumph genießen konnte, betrat ein Bataillon von Knappen, Platten voll in Schinken gewickelter und mit echten Federn geschmückter Hühnchen balancierend, den großen Saal.
Lyssandra hielt den Elfenbeingriff ihres Messers fest und zupfte an der dampfenden Haut ihres Vogels herum, während ihr Vater das saftige Fleisch mit seinen dicken Fingern zerriss. Colin begnügte sich mit Bier. Jedes Mal, wenn er an seinem Kelch genippt hatte, kam ein eifriger Knappe angestürzt und füllte ihn wieder bis zum Rand.
Während die Gäste seinem Beispiel folgend ausgiebig tafelten, fuchtelte MacDuff so heftig mit den Armen, dass Bratenteile durch die Luft flogen. »Wenn du mir erlauben würdest, dem Priester das Verlesen des Aufgebots zu befehlen, dann könntet ihr schon morgen heiraten.«
Erst ab diesem Moment gefiel Tabitha Colins Eigensinn. »Ich habe doch schon gesagt«, antwortete er. »Ich heirate Lyssa nicht vor ihrem achtzehnten Geburtstag!«
»Bitte, Papa. Dräng den armen Colin doch nicht so.« Der Seufzer des Mädchens verriet, dass dieser Disput bereits seit langem schwelte. »Schließlich sind es bis dahin nicht mal mehr zwei Monate.«
Ohne auf die Vermittlung seiner Tochter einzugehen, wies MacDuff mit der Spitze seines Messers auf den potenziellen Schwiegersohn. »Deine Mutter war gerade mal dreizehn, als sie dich geboren hat.«
»Ja. Und fünfzehn, als sie zwei Totgeburten später starb!« Colins Augen blitzten auf.
Tabitha strich sich mit der Hand über den Bauch, denn zum ersten Mal erinnerte sie sich an die mögliche Folge ungeschützten Geschlechtsverkehrs. Im einundzwanzigsten Jahrhundert trug jeder halbwegs anständige Ritter stets ein Paket Kondome in der Tasche. Doch ihr Entsetzen wurden durch
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