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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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gerötetes Gesicht abzuküssen begann. Ihre Füße baumelten beinahe dreißig Zentimeter über dem Gras.
    Tabitha runzelte die Stirn. Seltsam. Colin hatte nie eine andere Schwester als die kleine Blythe erwähnt. Und ganz sicher war er nicht alt genug, um Vater einer derart … derart… voll erblühten Tochter zu sein.
    »Oh, Colin«, zirpte das Fräulein. »Ich dachte schon, du kämst nie mehr zurück! Papa hat geschworen, du wärst ein Ehrenmann - aber sechs Jahre sind eine lange, lange Zeit. Sie kamen mir vor wie eine Ewigkeit.«
    Colin löste ihre Arme von seinem Hals und stellte sie sanft auf den Boden. Sie sah ihn strahlend an, und ihre lieblichen Züge leuchteten derart vor Glück, dass Tabitha sich beinahe eine Sonnenbrille gewünscht hätte.
    Hingegen Colins Lächeln verriet eine gewisse Müdigkeit. »Himmel, Lyssandra, wie« - sein verzweifelter Blick fiel, ohne dass er es wollte, auf den Busen, der aus dem seidigen Oberteil ihres Kleides zu quellen schien - »groß du doch geworden bist.«
    Arjon drückte entschieden Chaunceys Kinnlade wieder hinauf, damit dem Jungen nicht der Geifer über die Lippen rann.
    »Genau wie Ihr, Mylord! Als Ihr uns verlassen habt, wart Ihr kaum mehr als ein Jüngling.« Das Mädchen strich mit einem rosigen Fingernagel über seine Brust und hielt erst in der Bewegung inne, als seine Hand knapp oberhalb seines Silbergürtels lag. Mit ihren dichten, schwarzen Wimpern wirkte sie gleichermaßen schüchtern und verführerisch. »Aber jetzt seid ihr ein ausgewachsener Mann.«
    »Das reicht«, murmelte Tabitha und schwang ein Bein
über den Rücken des Pferdes, um sich auf das kleine Luder zu stürzen und ihm die Augen auszukratzen - falls es nicht freiwillig den Rückzug antrat.
    Doch das Erscheinen einer zweiten Gestalt auf der Zugbrücke hinderte sie an der Durchführung ihres Vorhabens. »Ravenshaw, seid Ihr es?«
    Wie Kanonendonner ließ die Stimme sicher sämtliches Glas und sämtliche Zähne im Umkreis von einer Meile erbeben.
    Colin wurde kreidebleich. Dies musste der Dämon sein, vor dem er sich so fürchtete!
    »Sehr wohl, Sir. Ich bin es.« Seine Stimme verriet die Begeisterung eines zum Tode verurteilen Mannes, der dem Erschießungskommando gegenübertrat.
    Der gedrungene Fremde stemmte die Hände in die Hüften. Er hatte spindeldürre Beine und gleichzeitig das, was man im wenig freundlichen einundzwanzigsten Jahrhundert als Bierbauch bezeichnete. »Es heißt, du wärst seit bald zwei Wochen wieder da! Aber bisher hast du die Mühe gescheut, herüber zu kommen und dem Herren deine Aufwartung zu machen, der dich großgezogen hat. Wo sind die Manieren geblieben, die ich dir eingetrichtert habe?«
    »Nun, Sir. Ich hatte einfach viel zu tun.«
    Tabitha spürte, dass Colin aus ihr unerklärlichen Gründen krampfhaft ihre Blicke mied.
    »Und vermutlich erwartest du, dass ich diesen unverzeihlichen Mangel an Höflichkeit großzügig übersehe?«
    »Das wäre wirklich nett, Mylord.«
    Der Mann wippte auf seinen Fersen und brach dann in für sie alle überraschendes dröhnendes Gelächter aus. »Mit deinem Charme hast du schon immer selbst den Teufel um den kleinen Finger wickeln können, stimmt’s, Junge? Also gut.
Nun, da du endlich heim zu deiner Braut gekommen bist, bin ich bereit, dir zu verzeihen.«
    Tabitha schwankte und wäre sicher vom Pferd gefallen, hätte Arjon sie nicht eilig gestützt. Die immer noch strahlende Lyssandra legte ihren schmalen Arm um Colins Hüfte und schmiegte sich an seine Brust, als gehörte sie dorthin. Colin drehte langsam den Kopf und sah seine entgeisterte Lady flehentlich an.

20
    Tabitha Lennox war und blieb eine Verliererin.
    Sie war als Verliererin geboren und stürbe als Verliererin, ohne dass ihr Geld oder ihre magischen Kräfte daran etwas änderten. Sie war auf die Welt gekommen mit Macht und Privilegien, hatte jedoch jeden wachen Augenblick seit ihrer Geburt in jener schneereichen Nacht in Connecticut damit verbracht, von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern - wie ein ungebetener Gast auf der Party des Lebens.
    Und nun, da sie über siebenhundert Jahre in die Vergangenheit gereist war, um den Mann ihrer Träume zu finden, musste sie feststellen, dass er bereits versprochen war.
    Und zwar nicht einfach irgendeiner Frau, sondern einer Märchenprinzessin, die in einem Turmzimmer schlief und die knabenhafte Grazie einer Audrey Hepburn sowie die Agilität einer ukrainischen Turnerin besaß. Während Tabitha beobachtete, wie

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