Wilder Eukalyptus
Türknauf legte. Am nächsten Tag, als er bereits wieder eine Viertelf lasche Rum intus hatte, bekam er Sehnsucht nach dem jungen Cowgirl, das ihm beim Saufen in nichts nachstand. Da Jack nicht besonders viel Verantwortungsgefühl besaß, verließ er die Farm, ohne groß zu überlegen, und fuhr die einstündige Strecke nach Norden. Er kehrte erst am Montagmorgen wieder zurück.
Kapitel 10
G emma und Jess erlebten einen wunderbaren Abend. Der Weinkeller, direkt am Bachufer gelegen, war urgemütlich. Am Strand brannten Lagerfeuer, und dazwischen standen alte Weinfässer, die in der Mitte zerteilt worden waren und nun als Pflanzenkübel für Schmucklilien und andere Zierblumen dienten. Ein kleines Stück weiter beleuchteten Scheinwerfer zwei alte Eukalyptusbäume, und die von unten angestrahlten, gespenstisch wirkenden Baumkronen verliehen der ganzen Atmosphäre etwas Magisches.
Die Bühne für die Jazzband war hell erleuchtet.
»Wow«, staunte Gemma angesichts der unzähligen bunten Lichter.
»Komm«, sagte Jess. »Suchen wir uns einen freien Platz.«
Auf der Wiese wimmelte es von Menschen, die ihre Decken ausbreiteten und ihre Campingstühle aufklappten. Manche hatten Picknickkörbe dabei, und zwischen der Wiese und den Verkaufsständen herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Die Luft vibrierte von der Vorfreude auf einen besonderen Abend.
Kaum hatten Gemma und Jess ihre Campingstühle neben einem großen Felsbrocken aufgestellt und den ersten Schluck Wein probiert, als sie plötzlich von hinten eine Stimme hörten.
»Gem, Jess, hallo!«
Sie drehten sich um und sahen Paige Nicholls am Arm eines großen, blonden Mannes.
Gemma lächelte freundlich. »Hallo, Paige, heute keine Nachtschicht?«
»Zum Glück nicht. Daniel und ich sind schon ganz gespannt auf die Band. Als wir noch in Melbourne gewohnt haben, waren wir oft auf Jazzkonzerten. Darum können wir es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Übrigens, darf ich vorstellen, das ist Daniel McDavis.« Paige kuschelte sich eng an ihren Begleiter, der nickte, ohne zu lächeln. »Wie geht es dir, Jess?«, fragte sie.
»Danke, gut«, antwortete Jess kühl.
Paiges Lächeln gefror. »Okay, schön, euch beide gesehen zu haben. Daniel und ich sollten uns jetzt einen Platz suchen. Ach übrigens, Jess, ich habe neulich deinen Freund kennengelernt. Brad heißt er, nicht wahr? Er ist ein guter Kerl. Wenn ich du wäre, würde ich an ihm festhalten.« Paige winkte zaghaft zum Abschied, und das Paar schlenderte weiter.
»Dass die sich traut, wieder hier aufzutauchen«, zischte Jess wütend. »Immerhin hat sie Claire und Tim auf dem Gewissen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie mit Tim eine Affäre hatte, direkt vor unserer Nase, und trotzdem die ganze Zeit so tat, als wäre sie Claires beste Freundin. Dieses Biest ist bei mir unten durch.«
»Jess, das ist doch lange her«, sagte Gemma in besänftigendem Ton. »Ich bin mir sicher, hätte Paige gewusst, was das für ein Ende nimmt, hätte sie von Tim die Finger gelassen. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass sie Tim geliebt hat. Ich finde es ganz schlimm, was damals
passiert ist, und ich vermisse Claire bis heute - aber stell dir mal vor, was Paige durchgemacht haben muss.«
Jess lächelte. »Du warst schon immer die Nachsichtigere von uns beiden.«
»Aber damals nicht, weißt du noch? Ich habe Paige schlimme Vorwürfe gemacht und sie sogar eine Hure genannt. Aber wenn man einen geliebten Menschen verliert, sieht man die Dinge in einem anderen Licht.«
»Weißt du, was Paige zurzeit macht?«
»Habe ich dir das nicht erzählt? Sorry. Sie arbeitet als Krankenschwester hier in Pirie. Sie hatte Nachtdienst, als ich zu Dad in die Klinik gefahren bin.«
»Tja, ich weiß nicht, einmal Luder, immer Luder«, sagte Jess und stand auf. »Ich muss mal auf die Toilette. Kannst du uns zwei neue Gläser Wein besorgen? Ich hoffe, dass dieses hinterhältige Luder Brad nur flüchtig kennt. Sonst könnte ich sehr unangenehm werden!«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte Jess sich nochmals um und fragte Gemma: »Hat die Polizei eigentlich zurückgerufen?«
Gemma schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Bis jetzt habe ich jedenfalls nichts von denen gehört. Vielleicht sind die gestohlenen Schafe mittlerweile aufgetaucht, und alles ist wieder gut. Wer weiß?«
Kurz darauf bahnte Gemma sich einen Weg durch die Menschenansammlung in Richtung Bar. Wenn sie in der Menge ein bekanntes
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