Wilder Sex und heiße Küsse
Jessica sich.
“Die meiste Zeit in New York.” Trotzdem war ihm dieses Haus am vertrautesten. Es schien, als könnte er sogar den Duft seiner Mutter wahrnehmen. In dieser abgelegenen Kleinstadt, wo die Frauen nach Schmierseife und Möbelpolitur rochen, hatte sie täglich Parfum aufgelegt. Mit neun Jahren hatte er ihr von seinem mühsam zusammengesparten Taschengeld ein Fläschchen ihres Lieblingsdufts zum Muttertag gekauft. Das war dann eines der wenigen Male gewesen, wo er sie hatte weinen sehen.
“Daniel?”
“Nahe am Central Park.”
Jessica starrte ihn mit ihren strahlenden Augen an, und ihm wurde bewusst, dass sie das Thema gewechselt haben musste.
Er räusperte sich und kam sich dumm und unbeholfen vor, so als wären die letzten dreizehn Jahre nie gewesen. Als wäre er über seine Schwärmerei für dieses freche bodenständige Mädchen, das da vor ihm saß, nie hinweggekommen. “Was hast du gesagt?”
Sie schwieg einen Moment. “Es tut mir leid wegen deiner Mutter.”
Es schnürte ihm die Kehle zu. Wie konnte sie wissen, woran er gerade dachte?
“Sie war so hübsch”, fuhr Jessica fort. “Und nett. Ich weiß noch, als Mom mal krank war …”
“Hör zu …” Er schob seinen Stuhl vom Tisch zurück. “Ich würde ja gern über alte Zeiten reden, aber ich muss jetzt arbeiten.” Einen Augenblick lang fragte er sich, ob er sie wohl verletzt hatte. Aber das konnte ihm doch egal sein, oder?
“Arbeiten?”, fragte sie leise.
Zaunwinden! Ja, ihre Augen hatten haargenau die Farbe der geliebten Zaunwinden seiner Mutter. “Auspacken”, verbesserte er sich schnell.
“Ach so.”
Er wandte sich ab.
“Daniel.”
“Ja?” Gegen seinen Willen blickte er noch einmal in ihre großen Augen. Er hatte Angst vor dem, was sie jetzt sagen würde. Er wollte ihr Mitleid nicht.
“Danke für deine Hilfe”, sagte sie, stand auf und ging zur Spüle.
Am Nachmittag hatte Daniel sein Auto ausgeladen, den Computer vor dem kleinen Fenster mit Blick auf den Fluss aufgebaut und bereits drei fantastische Seiten geschrieben. Begeistert und erschöpft fiel er angezogen auf sein Bett. Irgendwann nach sieben wachte er auf, griff nach seinen Zigaretten und erinnerte sich an die grausame Hausordnung.
Die Begeisterung von vorher war einer Art ungläubiger Panik gewichen. Daniel stellte den Computer wieder an und las die fertigen Seiten. Doch. Sie waren gut. Seine Muse war zurückgekehrt. Am liebsten hätte er vor Freude laut gejubelt, doch um neun Uhr hatte sich erneut Frustration eingestellt. Er hatte fünf neue Seiten geschrieben und sechs wieder gelöscht.
Er musste hier raus. Energisch stapfte er die Treppe hinunter.
“Wenn wir mit der Dosis aufpassen, hat er eine gute Chance”, hörte er Jessica sagen.
“Und ich muss ihr selbst die Spritzen geben?”, erwiderte eine schwache Stimme.
“Ach, das ist nicht so schlimm, wie du denkst”, sagte Edna. “Unsere Jess ist ein Genie. Sie zeigt dir, wie du’s machen musst, Betty.”
“Ich hab nur Angst, dass …”
Daniel wollte nichts mehr hören. Er musste raus, musste allein sein, eine Zigarette rauchen.
Zwei Stunden später kehrte Daniel zurück und legte sich ins Bett. Doch er schlief sehr unruhig. Irgendwann kurz nach vier stand er wieder auf, setzte sich mit müden Augen erneut vor den Computer und rief seine Muse.
Die Handlung seines Romans hatte er bereits vage im Kopf. Alysha Linden war jung, klug und hübsch, wenn auch etwas träge. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr. Geboren in Newark als Tochter einer allein erziehenden Mutter, hatte sie alle Chancen gegen sich – sie lebte am falschen Ort, hatte die falschen Freunde, traf die falschen Entscheidungen …
Daniel begann zu schreiben.
Der Morgen dämmerte. Das Haus erwachte. Ein Lamm blökte, irgendetwas grunzte, und als Krönung aller Klischees krähte auch noch ein Hahn.
Direkt unter sich hörte Daniel die Hintertür knarren und sah zufällig, wie Jessica in den Garten auf die Blumenwiese ging, gefolgt von einem lebhaften Labrador. Ihr blondes Haar, das zu einem wippenden Pferdeschwanz gebunden war, hatte fast dieselbe Farbe wie das Fell des Hundes. Durch das leicht geöffnete Fenster konnte Daniel die Vögel zwitschern und die Bienen summen hören. Dazwischen erklang Jessicas helle Stimme, und er merkte, dass er angestrengt lauschte …
Alysha! Er interessierte sich nur für Alysha, denn er war hier, um seinen Roman zu schreiben. Er holte tief Luft, rutschte auf seinem Stuhl zurecht und
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