Wildnis
Problem. Ich habe nicht angefangen, und wenn sie meinen, dass sie mich so behandeln können, haben sie sich geschnitten.“
Jan dachte, dass er nicht der Einzige war, der Schwierigkeiten in Gruppen hatte. Es überraschte ihn, wie hilflos Anna hinter ihrer überlegenen Fassade war. „Du bist allein. Willst du vier Wochen lang im Streit mit den Anderen zubringen? Wenn es dir nicht gelingt, dich einzugliedern, bist du diejenige, die sich geschnitten hat.“
„Ich bin lieber allein, als zu kuschen.“ Sie schaute ihm böse in die Augen. „Du kannst wieder zur Gruppe gehen.“
Jan fühlte sich verletzt. Anna stieß ihn zurück und warf ihm indirekt vor, dass er sich klein machte, um dazuzugehören.
„Na geh schon!“
Er machte kehrt. Sollte sie selbst sehen, wo sie blieb!
Etwas hielt ihn zurück. Das Gefühl, einen Fehler zu begehen. Als hätte sich eine Maschine in Gang gesetzt ... ein kleiner Hebel, dessen Energie sich über winzige Zahnräder übertrug, gespannte Federn löste, größere Räder in Schwung brachte ... und dann würde diese Maschine sie mit einer Kraft zermalmen, der sie nichts entgegenzusetzen hatten ... Es war lächerlich! Ob Anna sich jetzt mit Laura aussöhnte oder nicht, was machte das für einen Unterschied? Selbst wenn sich die beiden den ganzen Urlaub über zofften –
„Was ist?“, rief Anna.
Er drehte sich zu ihr, sah ihre wilde, wütende Schönheit, die Locken in der Stirn, die blitzenden Augen, das erhobene Kinn, und darunter ihren schmalen, verletzlichen Hals. Mit stürmischen Schritten war er bei ihr, um sie der unsichtbaren Gefahr zu entreißen – und wusste nicht, was er sagen sollte.
Anna lächelte. „Du beeindruckt mich, so viel Temperament.“
„Lass das!“ Er mäßigte seine Stimme. „Du solltest dich nicht so absondern. Sei nicht leichtsinnig.“
„Schon wieder die Reffords?“
„Nein, unsere Gruppe! Sie ist mir nicht geheuer. Ich kann es dir nicht genau sagen ...“
„So viel Kraft und so wenig Gleichgewicht?“ Anna sandte die Beklemmung mit einer anmutigen Armbewegung von sich. „Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen. Niemand braucht sich um mich zu sorgen. Ich passe auf mich selbst auf.“ Sie machte eine Verbeugung und entfernte sich.
Er blieb ihr auf den Fersen. „Du glaubst mir nicht. Hoffentlich behältst du recht. Ich denke, dieses Mal wird Michael Laura beruhigt haben, bis wir zurückkommen, und alle bedauern den Zwischenfall. Tu mir einen Gefallen und beteilige dich den Abend über an den Gesprächen und was sonst noch läuft. Wenn wir etwas spielen, etwas trinken, mach einfach mit!“
Sie liefen schweigsam und zügig. In einer Senke, in der die Farne ihnen bis zu den Hüften reichten, blieb Anna stehen und kniff die Augen zusammen. Auch Jan meinte, einen Punkt am Himmel ausmachen zu können. Er schirmte seinen Blick gegen die Sonne ab. Ja, tatsächlich, das war ein Flugzeug, da über den Bergen. Sie verfolgten den Punkt, der langsam größer wurde, ohne sich zu bewegen. Er musste direkt auf sie zufliegen. Bald darauf hörten sie die Motoren und konnten Tragflächen und Kufen erkennen. Das Wasserflugzeug verschwand hinter den Baumwipfeln. Es musste in der Nähe ihres Stegs landen. Anna und Jan rannten los, um die Anderen zu informieren.
Als sie auf die Wiese traten, sahen sie einen Mann auf den Stufen der Veranda. Er schrie: „Was zum Teufel ist hier los? Was habt ihr hier zu suchen?“
Sie konnten die Antwort nicht vernehmen.
„Einbrecher seid ihr!“
Nun hörten sie Michael aus dem Haus antworten, kräftig und besonnen. „Wir haben für unseren Aufenthalt beim Eigentümer, Brian Wilken, bezahlt.“
„Das bin ich! Ihr frechen Lügner!“
Anna und Jan näherten sich. Der Mann trug Leinenhose und Poloshirt. Die frisch rasierte Haut war wohlgebräunt und in seinem gewellten Haar steckte eine Sonnenbrille.
„Immer mit der Ruhe“, antwortete Michael. „Ich habe die E-Mails ausgedruckt. Soll ich sie holen?“
„Was beweist das schon? Seit wann seid ihr hier, wie viele seid ihr?“
„Wir sind zu sechst und gestern angekommen.“
Mr. Wilken warf einen flüchtigen Blick auf Anna und Jan, die wenige Meter von ihm entfernt stehen geblieben waren. „Da sind ja noch welche! Alles junge Leute?“
„Ja, wir sind hier auf Abi-Reise“, erklärte Michael, um Freundlichkeit bemüht.
„Ein hübsches Mädchen.“ Mr. Wilken lächelte Anna zu. Seine Stimme wechselte von stinksauer zu honigsüß. „Wie heißt du?“
„Leila Bock!“
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