Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
nachdem sie mir in einem Intervall von zwei Tagen den gleichen schlechten Streich spielten!… Vorsichtshalber suchte ich meine Umgebung nochmals ab…. Nein! Es war tatsächlich niemand da…. Was sollte ich anderes tun als die Achseln zucken und auch meinerseits ruhig und vernünftig das Land gewinnen!
    Und das führte ich denn auch aus, indem ich mir mühevoll einen Weg durch die lärmende Menge bahnte, die sich auf der Landungsbrücke zusammendrängte.
III.
    Markus erwartete mich, wie ich es mir gedacht hatte, am Landungsplatz und kam mir mit ausgebreiteten Armen entgegen. Wir hielten uns innig umschlungen.
    »Heinrich!… Mein lieber Heinrich! wiederholte er immer mit bewegter Stimme und feuchten Augen.
    – Mein lieber Markus! sagte ich, lasse Dich nochmals umarmen!«
    Nach den ersten, der Freude des Wiedersehens gewidmeten Augenblicken rief ich eifrig:
    – Nun aber rasch! Gehen wir! – Du führst mich doch in Deine Wohnung, denke ich?
    – Ja, ins Hotel Temesvár, das nur zehn Minuten von hier entfernt liegt, in der Prinz Milosch-Straße…. Aber vor allem muß ich Dich meinem künftigen Schwager vorstellen!«
    Ich hatte dem Offizier, welcher etwas abseits stand, gar keine Beachtung geschenkt. Er war Hauptmann der Infanterie, trug die Uniform eines Grenzer-Regimentes und mochte höchstens achtundzwanzig Jahre alt sein. Seine schlanke, die Mittelgröße überragende Gestalt verlieh ihm ein stattliches Aussehen. Der Bart auf Lippe und Kinn war dunkelbraun; er hatte das stolze, aristokratische Auftreten des Magyaren, aber seine Augen blickten freundlich und sein Mund lachte; er machte einen sehr sympathischen Eindruck.
    »Hauptmann Haralan Roderich, stellte Markus vor. Ich drückte die Hand, die mir der Hauptmann reichte.
    – Herr Vidal, sagte er, ich freue mich aufrichtig, Sie hier begrüßen zu können und Sie ahnen wohl kaum, welch große Freude Sie durch Ihre so sehnlich erwartete Ankunft meiner ganzen Familie bereiten!
    – Auch Fräulein Myra? fragte ich.
    – Das will ich glauben, rief mein Bruder, und ihr ist gewiß keine Schuld beizumessen, wenn die ›Dorothea‹ seit Deiner Abreise von Wien nicht ihre zehn Meilen per Stunde gemacht hat!«
    Ich bemerke, daß Hauptmann Haralan sowie dessen Vater, Mutter und Schwester, welche sich auf ihren Reisen oft in Frankreich aufgehalten hatten, die französische Sprache vollkommen beherrschten. Anderseits konnten Markus und ich geläufig deutsch sprechen, dazu kamen noch einige flüchtige Kenntnisse der ungarischen Sprache, so daß wir von diesem Tage an und auch späterhin uns ohne Schwierigkeit in diesen verschiedenen Idiomen bewegen konnten, ja, sie oft vermengten.
    Mein Gepäck wurde auf einen Wagen geladen, Hauptmann Haralan und Markus stiegen mit mir ein und wenige Minuten später hielten wir vor dem Hotel Temesvár.
    Nachdem wir übereingekommen, daß ich meinen ersten Besuch bei der Familie Roderich am folgenden Tage abstatten würde, blieb ich mit meinem Bruder allein in meinem ziemlich gemütlichen Zimmer, das neben demjenigen lag, welches er seit seiner Ankunft in Ragz bewohnte.
    Wir hatten uns viel zu sagen, bis uns die Mittagsstunde zu Tische rief.
    »Mein lieber Markus, begann ich, nun sind wir doch wieder glücklich vereint!… Wie froh bin ich!… Wenn ich nicht irre, hat unsere diesmalige Trennung ein ganzes, langes Jahr gedauert?
    – Ja, Heinrich, die Zeit ist mir sehr lang geworden, wenn auch die Nähe meiner lieben Myra mir das Warten der letzten Monate verschönt und verkürzt hat… Aber jetzt bist Du ja da, Gottlob, und die Trennung hat mich nicht vergessen lassen, daß Du mein großer Bruder bist!
    – Und Dein bester, treuester Freund, Markus!
    – Ich weiß es, Heinrich; und darum wirst Du es begreiflich finden, daß ich unmöglich meine Hochzeit ohne Dein Beisein feiern konnte. Du mußtest doch neben mir stehen!… Außerdem habe ich Deine Zustimmung zu erbitten!
    – Meine Zustimmung?
    – Gewiß! Ebenso wie ich sie von unserem Vater erbeten hätte, wenn er lebte. Aber ebenso wenig wie er, hast Du Grund, mir dieselbe zu versagen, und wenn Du sie erst kennen wirst….
    – Ich kenne sie ja schon aus Deinen Briefen und weiß, daß Du glücklich bist!
    – O, mehr als Du ahnen kannst! Aber Du wirst sie ja selbst sehen, Du wirst Dir ein Urteil bilden und sie auch lieb gewinnen, dessen bin ich sicher! Ich gebe Dir eine gute, die beste Schwester!
    – Ich nehme sie nur zu gerne an, mein lieber Markus, denn ich bin überzeugt, daß Deine

Weitere Kostenlose Bücher